Wie lange dauert es, bis mein Holz trocken ist? Eine datenbasierte Vorhersage

Diskussionen über Hölzer für den Bau von Instrumenten
Herkunft, Trocknung, Lagerung und Eigenschaften

Moderator: jhg

Antworten
raumneun
Holzkäufer
Beiträge: 161
Registriert: 22.10.2012, 09:50
Hat sich bedankt: 28 Mal
Danksagung erhalten: 37 Mal

Wie lange dauert es, bis mein Holz trocken ist? Eine datenbasierte Vorhersage

#1

Beitrag von raumneun » 01.02.2023, 15:52

Hallo allerseits,

vor kurzem wurde bei uns eine Kastanie gefällt, die ich in Bohlen aufgeschnitten habe (https://gitarrebassbau.de/viewtopic.php ... 50#p191744). Nun habe ich mir die Frage gestellt, wie lange es wohl dauert, bis das Holz trocken ist bzw. die Ausgleichsfeuchte erreicht hat. Bestimmt haben alle schon einmal die Faustformel (für Freilufttrocknung) von 1 Jahr pro cm Holzstärke gelesen. Witzigerweise ist im angelsächsischen die Faustformel 1 inch per year. Das wäre schonmal ein Unterschied von 2.5 bzw. von fast 4, wenn stimmt, was bei Wikipedia steht: Die Holzstärke geht ^1.52 ein (bei red oak), und nicht linear (https://en.wikipedia.org/wiki/Wood_drying#Model).

Der Trocknungsprozess ist ein exponentieller Prozess in Richtung eines Gleichgewichts, was von den Lagerbedingungen abhängt. Das Gleichgewicht lässt sich ganz gut berechnen aus Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Fehlt nur noch die Startfeuchte - die bekommt man zumindest annäherungsweise mit einem Holzfeuchtemessgeärt - und die Trocknungsrate, dann kann man ausrechnen, wie lange es dauert, bis das Holz nahezu im Gleichgewicht ist.
Letztere kann man schwer vorhersagen, weil sie u.a. von der Holzart und der Luftzirkulation abhängt.
Was man aber tun kann: jeden Tag das Holz wiegen und sich das exponentielle Abklingen fitten. Sprich: man ändert iterativ die Trocknungsrate (also den Exponent), bis die Kurve zu den Daten passt. Hierfür habe ich ein Excelsheet gebastelt, was ich hier gerne zur Verfügung stelle, falls jemand so etwas auch tun will.
Bisher kann es nur (und ich werde es auch nicht erweitern) unter konstanten Temperatur und Feuchtigkeitsbedingungen des Trocknungsraums arbeiten.
Hier ein Screenshot vom Sheet und den Daten:
trocknung.PNG
Alles, was gelb ist, sind Eingangsparameter, alles was grün ist wird berechnet.
Man kann viele Bohlen messen und die Werte eintragen, gefittet und dargestellt wird nur der Mittelwert. Implizit heißt das, alle Bohlen haben die gleiche Ausgangs- und Gleichgewichtsfeuchte.
Interessant ist nun, dass man mit recht wenig Datenpunkten schon eine halbwegs verlässliche Vorhersage der Zeit hat, bis der Unterschied zur Endfeuchte nur noch 1% (relativ, nicht 1%-Punkt) ist. In meinem Fall sind das nur knapp 45 Tage (whistle). Trocknungsrisse kann ich bisher nicht feststellen (außer beim Kernbrett, wo man das auch nicht anders erwarten würde). Die Vorhersage wird natürlich genauer, je länger man das Gewicht beobachtet.
Der Fit wird mit dem Solver Add-In durchgeführt, was man noch aktivieren muss, wenn man das noch nicht benutzt hat.

Vielleicht kann jemand ja was damit anfangen. Wenn es Fragen zur Bedienung gibt (der Hilfereiter ist noch leer :) ), immer gerne.

Viele Grüße
Max
Dateianhänge
Holztrocknung_V2.xlsx
(264.18 KiB) 41-mal heruntergeladen
Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor raumneun für den Beitrag (Insgesamt 3):
PoldiGerhardatomicxmario

raumneun
Holzkäufer
Beiträge: 161
Registriert: 22.10.2012, 09:50
Hat sich bedankt: 28 Mal
Danksagung erhalten: 37 Mal

Re: Wie lange dauert es, bis mein Holz trocken ist? Eine datenbasierte Vorhersage

#2

Beitrag von raumneun » 01.02.2023, 16:25

Was ich noch dazusagen sollte, auch wenn das mit dem Sheet nur wenig zu tun hat, den Trocknungsprozess aber wohl betrifft:
Das Holz lag mehrere Wochen als Stammware im Garten, gefällt im Winter. Das Holz war also zum Zeitpunkt, wo ich es in die Werkstatt gelegt habe, vermutlich schon unter dem Fasersättigungspunkt. Darüber ist das einfache Modell bestimmt nicht richtig, weil freies Wasser bestimmt anders desorbiert. Zumindest vermute ich das. Mit dem Wiegen habe ich auch erst 5 Tage nach dem Einlagern angefangen, der ursprüngliche Wassgerhalt zu dem Zeitpunkt war sicher eher 30% und direkt nach dem Fällen sicher auch höher.

Antworten

Zurück zu „Holz“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 28 Gäste