Sopran-Ukulele mit Apfelbaumdecke

Sonstige Saiteninstrumente wie Ukulelen, Mandolinen ... auch elektrische

Moderator: jhg

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Vater Jaguar
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Sopran-Ukulele mit Apfelbaumdecke

#1

Beitrag von Vater Jaguar » 07.02.2021, 16:57

Diese Ukulele habe ich neulich fertiggestellt und bin sehr glücklich, dass das Projekt gelungen ist :D
Vor ein paar Jahren habe ich mich schon einmal an einer Ukulele versucht und bin fehlgeschlagen. Dies war jetzt der nächste Versuch, bei dem ich eine Menge aus den alten Fehlern profitieren konnte.

Der Hals ist aus einem sehr alten und laaange durchgetrocknetem Stück Buche. Die Saiten haben einen konstanten Abstand zueinander, der Hals verjüngt sich nur ein wenig konvex bei den ersten Bünden zum Kopf hin. Er hat ein extremes U-Profil und liegt beim Spielen mehr in der Handinnenfläche auf, als ich es von üblichen Ukulelen gewöhnt bin. Damit wollte ich ein direkteres Spielgefühl vermitteln. Er hat keinen Halsfuß und ist mit Bambusstiften mit dem Korpus verbunden (zurechtgeschnitzte Essstäbchen). Das Griffbrett besteht mit dem Hals aus einem Stück und geht nur in dem Bereich in den Korpus über, in dem die Decke ohnehin schon fixiert ist.

Der Korpus ist komplett aus 9mm dünnem indischen Apfelbaum gefertigt. Die Beleistung ist aus Fichte. Die "Reifchen" bestehen aus mehren Schichten Lindenholzfurnier. Dieses wurde auch für einige kleine Verzierungen (wie z.B. im Schallloch) verwendet und auch an der Decke unter dem Steg (0.6mm Stärke und quer zur Faser). Sattel und Steg sind aus Knochen gekerbt. Da ich dafür noch kein geeignetes Werkzeug habe, sehen sie etwas abenteuerlicher aus als geplant. Für die Stegkompensation habe ich einen Onlinerechner gefunden, den ich hier mal mit euch teilen möchte: https://www.liutaiomottola.com/formulae ... sation.htm (Man muss etwas weiter runter scrollen. Ich kann natürlich keine Gewähr geben, aber mich hat der Rechner (und die Seite) sehr positiv beeindruckt.)

Die Saiten sind im Hinterklotz befestigt, sodass der Steg "für sich alleine" auf der Decke ruht. Die Löcher sind so groß, dass man die Saitenenden am Ende hineinstecke kann, sodass sie nicht abstehen.

Die Mensur beträgt 33cm.


BESPIELBARKEIT
Glücklicherweise lässt sich die Ukulele einwandfrei bis zum letzten Bund sauber bespielen. Auch Akkorde mit großen Intervallabständen sind meiner Meinung nach in Stimmung. Da der Hals einen minimalen Bogen nach innen macht, konnte ich die Saitenlage sehr niedrig gestalten (ca. 1,7mm im 12. Bund). Die Saiten haben einen gleichbleibenden Abstand zueinander. Schnelle Zupftechniken gehen sehr leicht von der Hand, da ich durch die nicht so weit voneinander entfernten Saiten die Finger der Anschlagshand nicht wirklich spreizen muss und mehr in natürlicher Haltung beieinander haben kann. Der Korpus lässt sich mit seiner Form super im Stehen und noch besser im Sitzen spielen.

KLANG
Tatsächlich ist der Klang ein wenig leiser als ich es von anderen Sopran-Ukulelen einschätze. Die tieferen Töne sind flach, stützen aber damit auch die Entfaltung der Hochtöne. Diese haben viel Brillianz ohne zu schneiden und klingen fein und detailliert. Die Mitten sind schlicht aber haben gleichzeitig einen sehr "singenden" Charakter.
In den Dateianhängen sind auch drei kleine Audiofiles. (Sie wurden mit einem kleinen Billigmikrofon für Headsets aufgenommen, der Klangcharakter kommt aber trotzdem gut raus :) ) Man hört im Hintergrund manchmal ein Klicken bei den Anschlägen, das kommt von leichter Bewegung der Seiten auf dem Steg und manchmal sogar von dem Sattel. Das finde ich nicht so schlimm, ist aber verbesserungswürdig. Dieses "Manko" ist mir auch schon bei einigen Konzertgitarren aufgefallen. Habt ihr Erfahrungen dazu oder vielleicht auch eigene Lösungsansätze? Kann es sinnvoll sein, den Steg ein wenig zu kerben?

______________________________________________________________________________

Wie ihr seht, habe ich viele Details etwas alternativ gestaltet :)
Ich hatte einfach den Drang, dem Instrument möglichst viel Persönlichkeit und Charakter zu geben. Und ich wollte unbedingt wissen, wie sich so eine Apfelbaumdecke macht :D Da ich beim Bau schnell gemerkt habe, dass das Instrument in der Konstruktion etwas "fein" wird, wollte ich das auch in verschiedenen Details kommunizieren, wie z.B. in dem Schallloch-Binding oder in der Hals-Korpus-Verbindung ohne Halsfuß (die meiner Einschätzung nach trotzdem bei weitem stabil genug ist). Die Saiten schweben auch ziemlich nah über der Decke, sodass man diese beim Spielen schnell streift. Das schränkt einen beim lauten Spiel etwas ein, aber der Kontakt zum Korpus fühlt sich für mich auch irgendwie gut an. Das Instrument soll auch nicht zum Shredden einladen, weil es dafür nicht gemacht ist. Ich wollte, dass es einen in seiner ganzen Art dazu einlädt, feine Töne und filigrane Harmonien zu erzeugen - und genau dort hat das Instrument auch seine Stärken.

Bis auf einen Akkuschrauber für einige Löcher habe ich nur Handwerkzeuge verwendet. Aufgrund der Kälte in der Garage habe ich alles im Haus gemacht. Am meisten kamen eine Japansäge, ein Stemmeisen, Schnitzwerkzeuge und meine Ziehklinge zum Einsatz. Schleifpapier habe ich nur für Steg und Sattel verwendet, Hals und Korpus wurden mit einer Ziehklinge abgezogen und dann gewachst.
Ich war mir anfangs unsicher, bin aber sehr glücklich, die Decke aus Apfelbaum gemacht zu haben, weil ich sehr viel Freude an dem entstandenen Klang habe.

Der Bau hat mir wahnsinnig viele Freude gemacht und ich bin schon auf das nächste Instrument gespannt :)
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Re: Sopran-Ukulele mit Apfelbaumdecke

#2

Beitrag von Vater Jaguar » 07.02.2021, 17:06

Für den Bau habe ich mit bestimmten Stegpositionen experimentiert und wurde durch dieses Forum stark bereichert.
Dazu der Thread: https://www.gitarrebassbau.de/viewtopic ... 85#p174985

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Re: Sopran-Ukulele mit Apfelbaumdecke

#3

Beitrag von Poldi » 07.02.2021, 18:19

Schönes Teil und der "Klang" hört sich sehr gut an.

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Re: Sopran-Ukulele mit Apfelbaumdecke

#4

Beitrag von Vater Jaguar » 07.02.2021, 18:49

Vielen Dank! :)

Habe gerade mal deine Iceman Mirror angeklickt und das Teil ist ja der Killer (clap3)
Die Iceman ist auch einer der Modelle, die meiner Meinung nach unter den Replikas gerne öfter auftauchen könnten.

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Re: Sopran-Ukulele mit Apfelbaumdecke

#5

Beitrag von Poldi » 08.02.2021, 09:43

Deshalb habe ich ja auch schon insgesamt 3 gebaut. Passt ja auch zu Jahreszeit.


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Re: Sopran-Ukulele mit Apfelbaumdecke

#7

Beitrag von cabriolet » 08.02.2021, 15:41

Sehr schön!

Cool, dass du dich da auch an ein absolut eigenständiges Design herangewagt hast. Muss ja nicht immer das übliche "Miniatur-Konzertgitarren"-Einerlei sein.
Und trotz meinen winzigen Laptop-Lautsprecherchern: Die klingt doch richtig gut, schön singend und nicht so plärrig wie viele andere Ukulelen (dance a) .

Gruß
Markus
Meine Wettbewerbsgitarren 2020/2021:
Eine kleine Steelstring: Baubericht und Galerie
Simplex: Baubericht und Galerie

Und die Wettbewerbsgitarre 2018/2019:
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Re: Sopran-Ukulele mit Apfelbaumdecke

#8

Beitrag von penfield » 08.02.2021, 21:03

ool. Avantgarde
SGmaster, Peacemaster 3P90, Double neck fretless/fretted,
Quickbird, Basslownia, FrameBird, Violin Bass Bausatz, Mystery Guitar, Semmelblonden JMs, Les Paulownia. Hab ausgemistet und eine Flying V begonnen, die liegt jetzt aber auch schon länger...

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Re: Sopran-Ukulele mit Apfelbaumdecke

#9

Beitrag von Kellermann » 08.02.2021, 21:11

cabriolet hat geschrieben:
08.02.2021, 15:41
Die klingt doch richtig gut, schön singend und nicht so plärrig wie viele andere Ukulelen (dance a) .
Der sound ist doch sehr gut für eine Sopran! Lange habe ich Ukulele nicht als "richtiges" Instrument angesehen. Ich habe mal Gitarrenmusik von einer Interpretin gehört, die mir sehr gut gefallen hat, der Sound dieser Gitarre war aber irgendwie besonders. Ich habe dann recherchiert und fand heraus, es war ein Ukulelen-Weltstar, Brittni Paiva aus Hawaii. Sie spielt Tenor-Größe. Der Sound aus 43 cm Mensur ist beeindruckend.

https://www.youtube.com/watch?v=yvk0l4XyHhU

Grüße
Kellermann

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Re: Sopran-Ukulele mit Apfelbaumdecke

#10

Beitrag von bea » 08.02.2021, 22:42

Vor allem kann man dank der kurzen Mensur sehr weit greifen und hat deshalb Möglichkeiten, die es auf der Gitarre oder gar einem Bass nicht gibt.

Mir gefällt die Uke in ihrer Schlichtheit ebenfalls. Und auch finde, dass sie ausgewogen klingt und nicht so qäksig wie man es von Ukulelen gerne mal befürchtet.
LG

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Re: Sopran-Ukulele mit Apfelbaumdecke

#11

Beitrag von Vater Jaguar » 09.02.2021, 12:20

Vielen Dank euch!
Ich muss auch sagen, dass ich Ukulelen auch nicht besonders faszinierend finde, wenn man sie für Geplärre benutzt.
Ich habe Ukulelen auf kleinen Jam-Sessions mit Freunden für mich entdeckt, wo ich gemerkt habe, wie gerne ich auf der Ukulele improvisiere und wie viel Freude es mir macht.
Für mich sind sie vollständig eigenständige Instrumente und ich finde auch, wie Beate sagt, dass das kleine Format eine Eigenschaft ist, die auch Stärken mit sich bringt :)

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