Bau einer Halbresonanzgitarre

Wie baue ich mir eine Semiakustische- oder Archtopgitarre

Moderator: jhg

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papillon
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Bau einer Halbresonanzgitarre

#1

Beitrag von papillon » 19.01.2022, 13:04

Hallo zusammen,

nach gut einem Jahr Vorlaufzeit zwischen Planung und dem eigentlichen Baubeginn ist meine Halbresonanzgitarre „endlich“ fertig geworden. Nach einer Westerngitarre ist das mein zweiter Eigenbau. Es war nicht der Bedarf, sondern die Herausforderung, die mich dazu getrieben hat. Mein letzter Bühnenauftritt war 1967 (ich bin Jg. 1940). Seither spiele ich nur noch „stromlos“ in kleineren privaten Kreisen. Dabei schaffe ich es immer noch, bis zu gut 40 Leute bei Laune zu halten. So gesehen wird die neue Gitarre nie vor Publikum zum Einsatz kommen, sondern nur daheim als (nicht verstärktes) Übungsinstrument. Angeschlossen wird die Gitarre höchstens am PC, wenn ich mal Lust habe, was aufzunehmen.
Was noch fehlt, ist der Schlagschutz (Pickguard), vorgesehen aus poliertem Edelstahl. Da meine bisherige Quelle für einschlägiges Material nur eingebremst funktioniert, wird es dafür noch etwas dauern.

Material:
Decke Riegelahorn, Zarge und Boden Nuss, jeweils mit drei weiteren Furnieren schichtweise verleimt (nicht kreuz und quer, sondern in gleicher Richtung), Hals Nussholz massiv, Kopfplatte furniert mit Nuss Wurzelmaser, Randeinlagen drei Furniere (Nuss und Ahorn), dazu als Abschluss massive Kanten aus Wenge. Auch die Schalllöcher sind mit Wenige eingefasst. Fürs Griffbrett hatte ich noch ein extrem hartes Holz namens Bankirai auf Lager. Nebenbei bemerkt, bisher habe ich dieses Holz für Pfeilführungen beim Armbrustbau verwendet…

Boden und Decke sind „auf Spannung“ um etwa 7 mm gewölbt, die Zarge sowie der furnierte Teil der Randeinlagen sind formverleimt, die eigentlichen Kanten aus Wenige wurden durch Erhitzung an die Rundungen angepasst. Boden und Decke zu „schnitzen“ hätte ich nie auf mich genommen, und ehrlich gesagt, mir kommt die „gespannte“ Wölbung dezent und ansprechend vor. Auf die „Einbuchtung“ am Korpus (Cutaway) habe ich nicht nur auf Grund des höheren Arbeitsaufwandes verzichtet. Gibt es in meinem Repertoire doch nicht annähernd Bedarf für Griffe oder Töne in diesen Höhenlagen.

Für die Oberfläche habe ich auch diesmal farblosen Acryllack verwendet. Nach mehrmaligem Grundieren mit dem Pinsel kam eine neu gekaufte, kleine Lackierpistole zum Einsatz (Düsengröße 1 mm). Im dritten Anlauf ist die Fläche so gut geworden, wie man es in nicht klinisch staubfreier Umgebung kaum erwarten kann. Bin zufrieden damit und habe auf jede weitere Nacharbeit (Polieren) verzichtet.
Acryllack verwende ich, weil damit das Arbeitsgerät mit Leitungswasser gereinigt werden kann. Somit entfällt die Entsorgung der Lösungsmittel und vor allem bleibe ich von den für mich nicht ganz unproblematischen Dämpfen verschont.

Mit der Elektronik habe ich (wahrscheinlich) eine eigene Lösung gefunden. Die Umschaltung zwischen den beiden Humbuckern (Wilkinson) erfolgt mittels Zug-Druck-Schalter (2x um) direkt am Potentiometer. Je nach dessen Stellung ist der zweite Humbucker dann abgedreht oder beliebig zugemischt. Der zweite Knopf ist für die Lautstärke und mit dem dritten Knopf lassen sich die Höhen beschneiden. Die Auswahlmöglichkeit an Klangfarben erfüllen meine Erwartungen und sind damit gut zufriedenstellend.

Fehler sind mir auch einige passiert:
- Beim groben Zuschneiden mit der Stichsäge ist die Decke gebrochen. Obwohl ich mir größtmögliche Mühe gegeben habe, ist zumindest eine andeutungsweise Spur zu sehen. Nach diesem Vorfall habe ich alle Zu- und Ausschnitte an Boden und Decke mit der Laubsäge ausgeführt.
- Bei der Unterkonstruktion bin ich zu wenig sorgfältig vor gegangen. Bei genauem Hinsehen sind Unregelmäßigkeiten in der Decken- und Bodenwölbung zu erkennen.
- Die Brücke habe ich mit zwei aufgezogenen Saiten und Stimmgerät positioniert. Trotzdem passt die Position nicht wirklich, weil die Auflage für die hohe E-Saite nur annähernd auf Oktavenreinheit eingestellt werden kann. Wäre besser gewesen, den Steg rechnerisch exakt zu positionieren. Muss aber dazu sagen, meine beiden Kauf-Westerngitarren liegen weitaus deutlicher daneben.
- Den Brückenhumbucker würde ich bei einer Neuauflage gut einen cm näher an die Brücke setzen.
- An der Decke ist es mir „gelungen“ an einer Stelle das Furnier durch zu schleifen. Da war eine Verschmutzung, bei der ich mir nicht vorstellen konnte, dass sie durch das Furnier hindurch gehen würde. Mit einer etwas verlängerten Unterlage für das Tremoloteil ist die betreffende Stelle „unauffällig“ kaschiert.
- Ein Tremolo wollte ich unbedingt haben. Meine letzte Bühnengitarre (ebenfalls Halbresonanz) hatte das auch und ich war vollauf zufrieden damit. Doch das hier verwendete Teil entspricht nicht meinen Erwartungen. Braucht beim Bedienen einen relativ hohen Kraftaufwand. Zudem ist die Gitarre nach jedem Tremoloeinsatz verstimmt. 180 Euro oder mehr für ein überteuertes Markenprodukt wollte und will ich nicht ausgeben. Doch so wie das Ding funktioniert, sind die knapp 40 Euro eine Fehlinvestition. Werde noch versuchen, das Teil mit besseren Lagern auszustatten.
- Beim Löten des Potis für die Höhenreduktion hatte ich einen Denkfehler. Darum muss der Knopf jetzt verkehrt herum gedreht werden. Bin mir noch nicht sicher, ob ich das lassen soll. Doch die Regler wieder ausbauen und dann neuerlich hineinkitzeln, finde ich nicht unbedingt erstrebenswert.

Dann noch ein paar Sätze zur Sattelkompensation: Habe im Vorfeld einen Versuchsaufbau gemacht und mit Einsatz des Stimmgerätes gesehen, dass mit dem Verschieben des Sattels in Richtung zum ersten Bund um 3 mm ein zufriedenstellendes Durchschnittsergebnis auf allen Saiten erzielt werden kann. Ich habe das so auch bei der Konzertgitarre einer Freundin gesehen. Die Tonhöhe an den unteren Bünden ist damit wesentlich präziser wie bei meinen Kaufgitarren, bei denen der Sattel – wie üblich - nur „rechnerisch“ positioniert worden ist.

Mit freundlichen Grüßen
Heinz
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Zarge mit Unterkonstruktion
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das fertige Stück
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die rohen Einzelteile
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Decke aufgeleimt
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Boden aufgeleimt
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Re: Bau einer Halbresonanzgitarre

#2

Beitrag von Janis » 19.01.2022, 13:19

Interessante Konstruktion, schaut sehr gut aus!
hast du vllt. Bilder vom Verleimen der Zargen-Lagen?
Oder kannst du beschreiben wie du vorgegangen bist?
Viele Grüße,
Jan

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Re: Bau einer Halbresonanzgitarre

#3

Beitrag von papillon » 19.01.2022, 14:24

Hallo Jan,

habe das auch bei der Westerngitarre so gemacht. Ein Bild von der Schablone hänge ich an.
Beim Verleimen sind es einmal die vier Furniere, dazu zwei Beilagen aus verzinktem Blech 0,5mm zuzüglich ein Streifen Wellpappe auf jeder Seite. Der Leimauftrag erfolgt mit der Zahnspachtel.
Die Form nahm ich aus der CAD-Zeichnung. Der Abstand der beiden Schablonenteile beträgt 4x0,7 mm Furnier, 2x 0,5 mm Blech und jeweils 1mm für die Wellpappe, ergibt 5,8mm. Ich habe das im CAD auf drei A-4-Blätter aufgeteilt (mit strichlierten Linien deren Ränder markiert und auf 160-Gramm-Papier ausgedruckt, dann ausgeschnitten, entsprechend in Position gebracht, auf den Spanplatten nachgezeichnet und mit der Stichsäge ausgeschnitten.
Das zweite Bild mit den Schraubzwingen stammt von der Verleimung für die Westerngitarre. Ist auch zu sehen, wie die Schablone dafür aufgebaut ist.
Wesentlich ist, dass Zwingen nicht nur Quer, sondern auch längs gesetzt werden.

Grüße, Heinz
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Verleimung Westerngitarre
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Verleimform Halbresonanzgitarre
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Re: Bau einer Halbresonanzgitarre

#4

Beitrag von Düsentrieb » 19.01.2022, 14:57

Toll! Handwerklich sieht es 1a aus, du bist aber auch gelernter Tischler, richtig? Auch schön, mal etwas außerhalb der ausgetretenen Pfade zu sehen. Was hat dich zum Design inspiriert? Form und die Schalllöcher erinnern mich an eine Mandoline.

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Re: Bau einer Halbresonanzgitarre

#5

Beitrag von papillon » 19.01.2022, 15:27

Ja, ich bin gelernter Tischler - mit Meisterbrief (wenn wir schon davon reden...) ;-)
Wegen dem Design habe ich bei Thoman.de Gitarrenbilder angeschaut, das Bild von einem passenden Modell heraus kopiert, ins CAD übernommen und nach gezeichnet - unter Weglassen vom Cutaway. Schalllöcher in dieser Form gibt es auch bei Kaufgitarren. Gefallen mir besser als F-Löcher, denn die erinnern mich zu viel an Geige... ;-)
Nebenbei bemerkt, habe soeben deine Biegevorrichtung und die gebogene gebogene Rosette bewundert!!!

Grüße, Heinz

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Re: Bau einer Halbresonanzgitarre

#6

Beitrag von Poldi » 20.01.2022, 06:00

Eine wunderschöne Gitarre, klasse gemacht.
Ich würde da auch kein Pickguard draufmachen.

Hast du die Decke und den Boden über die mittleren Verstrebungen gebogen und dann einfach an de Zargen verleimt?

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Re: Bau einer Halbresonanzgitarre

#7

Beitrag von Simon » 20.01.2022, 09:08

Wow! Sehr sehr schön!!

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Re: Bau einer Halbresonanzgitarre

#8

Beitrag von MusikMaxx » 20.01.2022, 11:33

Schönes Instrument (clap3) (clap3) :D
Viele Grüsse

Martin

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Re: Bau einer Halbresonanzgitarre

#9

Beitrag von glambfmbasdler » 20.01.2022, 11:43

Schöne Klampfe! (clap3) (clap3)
Grüße
Edi

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Re: Bau einer Halbresonanzgitarre

#10

Beitrag von papillon » 20.01.2022, 12:22

Vielen Dank für die Anerkennung - verneige mich tief... :-)

an Poldi - betreffend Wölbung:
So wie du vermutet hast, Boden und Decke sind über die Verstrebung gebogen. Bei der etwas größeren Westerngitarre ist die Wölbung nur 3 oder 4mm. Da habe ich es genau so gemacht und gesehen, dass noch deutlich mehr drin sein müsste. Fürs aktuelle Modell machte ich mit 3mm Buchensperrholz einen erfolgreichen Test. Die Wölbung macht sich gut und ist auch am Foto zu erkennen. Spannend geworden ist es um die Schalllöcher herum. Würde sagen, kann man vollauf gelten lassen und wirkt dezenter als "gefräst".

Zufrieden werde ich erst sein, wenn alle Mängel beseitigt sind.

Was ich noch sagen muss, die Akkorde klingen in allen Lagen super rein. Ist mir offenbar gelungen, einen hohen Grad an Bundreinheit zu erreichen. Dabei ist da noch die "winzige" Unstimmigkeit mit der Oktave der hohen E-Saite. Auch das wird noch bereinigt.

Grüße, Heinz

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Re: Bau einer Halbresonanzgitarre

#11

Beitrag von thoto » 20.01.2022, 12:30

Wow, sieht klasse aus! Gefällt mir optisch sehr gut!

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