Unterschiedliche Dicke von Konzertgitarren Decken

Alles zu akustischen Gitarren und Bässen

Moderator: jhg

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Unterschiedliche Dicke von Konzertgitarren Decken

#1

Beitrag von MukerBude » 08.04.2020, 00:47

Hallo Leute,
zuerst mein Wunsch an ALLE, bleibt Viren frei !

Ich war auf dem besten Weg mein Konzert-Gitarren-Bauprojekt in den Sand zu setzen, in dem ich zwar nicht die Seiten der beiden Hälften vertauscht habe, aber das Verständnis warum die Bässe eine dünnere Decke und die Höhen eine dickere Decke bevorzugen, nicht verstanden habe.

Kann mir jemand erklären warum die Decke einer Konzertgitarre auf der Diskant-Seite dicker sein soll als auf der Bass-Seite.

Noch kann ich die beiden ausgehobelten Hälften herumdrehen...

Es bedankt sich
Peter aus der MukerBude

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Yaman
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Re: Unterschiedliche Dicke von Konzertgitarren Decken

#2

Beitrag von Yaman » 08.04.2020, 08:28

Ich kann dir dazu ein Video der Firma Breedlove empfehlen. Die haben vor langer Zeit durch einen Fehler in ihrer Maschine die Decke unterschiedlich dick geschliffen und dann festgestellt, dass es besser klingt und behalten dies bei einigen Modellen jetzt so bei.

https://www.youtube.com/watch?v=W5ATWsAcIcw

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Re: Unterschiedliche Dicke von Konzertgitarren Decken

#3

Beitrag von MukerBude » 08.04.2020, 17:51

Es stellt sich die Frage, ob das auch auf Konzertgitarren - Decken zutrifft? Die sind doch deutlich anders bebalkt als die Western-Gitarre im Video.
Ich finde einfach keine genaueren Hinweise...
Peter aus der MukerBude

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Re: Unterschiedliche Dicke von Konzertgitarren Decken

#4

Beitrag von Yaman » 08.04.2020, 18:28

Es ging in dem Video auch nicht um die Bebalkung, sondern um die unterschiedliche Schwingungsausbreitung der hohen und tiefen Frequenzen.

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Re: Unterschiedliche Dicke von Konzertgitarren Decken

#5

Beitrag von MukerBude » 08.04.2020, 20:25

Yaman hat geschrieben:
08.04.2020, 18:28
Es ging in dem Video auch nicht um die Bebalkung, sondern um die unterschiedliche Schwingungsausbreitung der hohen und tiefen Frequenzen.
Ja, das ist richtig, aber man kann das Schwingungsverhalten der Decke nicht ohne die entsprechenden Balken betrachten.
Peter aus der MukerBude

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Re: Unterschiedliche Dicke von Konzertgitarren Decken

#6

Beitrag von Sven » 08.04.2020, 20:55

MukerBude hat geschrieben:
08.04.2020, 00:47
[...]
Kann mir jemand erklären warum die Decke einer Konzertgitarre auf der Diskant-Seite dicker sein soll als auf der Bass-Seite.
[...]
Ist es gar nicht. Es finden sich auch Argumente für das Gegenteil.
;-)

Tatsächlich gibt es dafür keine allein seeligmachende Warheit.
Daniel Friederich hat mal einen Artikel zu dem Thema geschrieben, der sehr lesenswert ist.

Sven
Vom Handwerk kann man sich zur Kunst erheben,
vom Pfusch nie.
(Goethe)

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Re: Unterschiedliche Dicke von Konzertgitarren Decken

#7

Beitrag von jhg » 08.04.2020, 21:47

Aaaalso - meine Meinung zu dem Thema:
Deine wievielte Gitarre ist das jetzt?

Bei mir im Keller liegen gerade Nr. 26 und 27. Ich hab schon alles Mögliche mal ausprobiert und jede Decke wird immer ein wenig anders. Das liegt bei mir auch daran, dass ich nicht kontinuierliche eine Gitarre nach der anderen baue. Dann könnte man im Laufe der Zeit über eine hohe Konstanz, Kenntnis des Materials und kleine Änderungen an Dicke und Bebalkung Tendenzen zur Klangveränderung feststellen. Aber das liegt auch wieder zu einem hohen Grad an dem Ausgangsmaterial: Wie leicht ist das Holz? Wie steif ist es? Welchen Klangcharakter hat es? usw.
Also du hast eine Decke an der man wohl über 100 Parameter verändern kann und die führen jeweils zu einer Klangänderung. Welche aber was macht, lässt sich m.E. für uns Hobbybauer kaum nachvollziehen. Dazu bedürfte es eines kontinuierlichen Prozesses in der Fertigung.

Deswegen: Probier es einfach aus und sei glücklich mit dem Ergebnis!
Jetzt könnte man sagen: auf der Bassseite wäre es besser, wenn die Decke etwas leichter schwingen kann als auf der Diskantseite, weil da eher die höheren Frequenzen projeziert werden sollen. Aber ganz im Ernst: Sei froh, wenn sie am Ende gut klingt. Warum sie das tut, wirst du nie erfahren!

P.S.: ich hab bei einer meiner letzten Gitarren die Balken spiegelverkehrt aufgeleimt (hatte mit der Schablone nicht richtig nachgedacht) Schlecht war die auch nicht!
P.P.S.: Hatte letztens einen Vortrag von Martin Schleske gehört. Nachdem er viele Nachbauten gemacht hat, herumexperimentiert hatte und überhaupt nicht zufrieden war, entstand die Opus 130 (also Nr. 130) - eine seiner wohl besten Geigen, die gegenwärtig von Ingolf Turban gespielt wird. Das macht mich sehr bescheiden und demütig, was mein Verständnis vom Gitarrenbau angeht.

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Re: Unterschiedliche Dicke von Konzertgitarren Decken

#8

Beitrag von MukerBude » 09.04.2020, 00:36

Hallo jhg,
meine Fragen beziehen sich auf den Bau meiner ZWEITEn Gitarre.
jhg hat geschrieben:
08.04.2020, 21:47
Deswegen: Probier es einfach aus und sei glücklich mit dem Ergebnis!
Sorry, aber eine solche Einstellung bringt uns, die Welt und auch den Klang der Gitarren nicht weiter.

Respekt vor Deiner Erfahrung im Bau von Gitarren! Ich habe Deine Botschaft vernommen, aber ich kann mich nicht damit abfinden ein solches Projekt zu initiieren, ohne zumindest annähernd zu wissen was dabei am Ende heraus kommt.

Ich habe mal eine kleine Recherche gefahren und siehe da, es gibt kompetente Antworten, also warum nicht von den Erfahrungen der Profis lernen, um damit auch meine ZWEITE zum klingen zu bringen.

Hier die Ergebnisse der Bots...

Gitarren Blog von Nacho Bellido – November 18 2012
Verfasst von Neil Ostberg
http://theguitar-blog.com/?p=1666
Chapter 4 – Jointing a top
Bild 12
Personal observations , of many classical guitars has given me a thickness range for tops of 2.5 to 1.8 mm. I personally favor thinner at the bass side and thicker at the treble, in hope of booming basses and brilliant full trebles. The thickness or thinness I try to achieve is 1.9mm at the bass side and 2.2mm at the treble in the region of the widest part of the lower bout.

***

Lutherie Guitarre
https://lutherie-guitare.org/wiki/Chapitre_6_:_Plans
Kapitel 6 - Pläne
Direkt der erste von Laurent Legeay zeigt in einem kleinen Bildchen Mitte links die stärken seiner Decke, die ich bei meiner klassischen Fächerbebalkung nach Torres natürlich nicht übernehmen kann.

***

Auf Pinterest (wohin eine Suche doch verschlagen kann) habe ich eine Skizze von einem Nostberg gefunden, Wenn das nicht der Neil Ostberg von oben ist?
https://www.pinterest.de/pin/4488822878 ... &x=24&y=37
Unter der Lupe betrachtet sind die eingezeichneten Dicken der Decke zu erkennen.

***

Barmstedter Lektionen von Margarethe Brunswicker-Appelt
gewidmet Gerold Karl Hannabach - - Seite 18
https://www.brunswicker-apelt.de/daten/ ... n-2016.pdf
Um höhere bzw. tiefere Abklopftöne zu erreichen, kann man entweder die Deckenstärke variieren (hoch = dicker, tief = dünner) oder die Beleistung, z.B. mit einer asymmetrischen Beleistung.

***

Mit dem mobilen Recorder werde ich die unterschiedlichen Dicken der Decke systematisch Abklopfen (bis mir der Klang zusagt), um so deren Klangverlauf für nachträgliche Auswertungen festzuhalten.

Leute, ich freue mich - wie lange nicht - auf Ostern ohne Eier färben und das ganze scheinheilige weil lediglich am Kommerz orientierte drum herum.

Bleibt Virenfrei!
und entspannte Feiertage
wünscht
Peter aus der MukerBude

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Re: Unterschiedliche Dicke von Konzertgitarren Decken

#9

Beitrag von Herr Dalbergia » 09.04.2020, 06:47

Hallo, zu deiner Frage am Anfang: das Stichwort wäre hier u.a. die Grenzfrequenz einer schwingenden Platte.
Wenn Du in das Thema tiefer einsteigen möchtest, empfehle ich die Fachliteratur von Jahnel, Somogyi und Gore.
Ansonsten würde ich mir beim Bau einer Konzert Gitarre über die Bässe eher weniger Sorgen machen als um die Höhen....bei der Steelsting ist es gemeiner Weise genau anders herum....

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Re: Unterschiedliche Dicke von Konzertgitarren Decken

#10

Beitrag von Gerhard » 09.04.2020, 13:22

Die Decke schwingt immer als Einheit, egal welche Saite du anschlägst. Ich würde die Hälften nicht unterschiedlich dick machen, sondern im Stegbereich dicker und zu den Rändern hin dünner werdend. Der obere Bereich bis unterhalb des Schallochs wird generell etwas dicker gehalten. So haben wir es in der Ausbildung gelernt.
ABER: Viele Wege führen ans Ziel.

Zum Thema Breedlove: Dass das plötzlich besser klang führe ich darauf hin zurück, dass Fabriksgitarren fast immer zu stark gebaut sind. Da kamen sie dann durch Zufall auf die richtige Stärke und Flexibilität der Decke.

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Re: Unterschiedliche Dicke von Konzertgitarren Decken

#11

Beitrag von Yaman » 09.04.2020, 13:29

Zum Thema Breedlove: Das mit der falsch eingestellten Schleifmaschine war vor vielen Jahren, als Breedlove nur eine sehr kleine Firma war und sie hauptsächlich hochpreisige Boutique-Gitarren hergestellt haben. Inzwischen ist ein großer Investor eingestiegen, die Firma ist in ein neues Gebäude gezogen und die meisten Gitarren werden in Asien produziert.

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Re: Unterschiedliche Dicke von Konzertgitarren Decken

#12

Beitrag von Gerhard » 09.04.2020, 13:38

Yaman hat geschrieben:
09.04.2020, 13:29
Zum Thema Breedlove: Das mit der falsch eingestellten Schleifmaschine war vor vielen Jahren, als Breedlove nur eine sehr kleine Firma war und sie hauptsächlich hochpreisige Boutique-Gitarren hergestellt haben. Inzwischen ist ein großer Investor eingestiegen, die Firma ist in ein neues Gebäude gezogen und die meisten Gitarren werden in Asien produziert.
Danke für die Aufklärung!

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Re: Unterschiedliche Dicke von Konzertgitarren Decken

#13

Beitrag von jhg » 09.04.2020, 14:32

MukerBude hat geschrieben:
09.04.2020, 00:36

Sorry, aber eine solche Einstellung bringt uns, die Welt und auch den Klang der Gitarren nicht weiter.

Respekt vor Deiner Erfahrung im Bau von Gitarren! Ich habe Deine Botschaft vernommen, aber ich kann mich nicht damit abfinden ein solches Projekt zu initiieren, ohne zumindest annähernd zu wissen was dabei am Ende heraus kommt.

Vielleicht bin ich da zu pragmatisch und ernüchtert von dem, was ich bisher getrieben habe. Vielleicht gibt es andere, die auch bei der zweiten Gitarre schon genau wissen, was sie tun.

Was bei den ersten Instrumenten auf jeden Fall fehlt ist die Erfahrung. Denn der reine Zahlenwert, wie dick eine Decke zu hobeln ist, bringt dir überhaupt gar nichts. Wenn du das nicht in Relation zu der Steifigkeit dieser einen Decke und der Erfahrung wie dick die Decke zu hobeln ist und wie stark die Beleistung genau in diesem Fall sein sollte (wobei in diese Rechnung dann auch noch die Steifigkeit der Balken und deren Profil zu berücksichtigen ist)
Den gleichen Fehler haben schon viele Geigenbauer gemacht. Eine Stradivari einfach nur zu kopieren, die Maße 1:1 auf ein neues Instrument zu übertragen ergibt kein zufriedenstellendes Ergebnis. Es geht darum, zu verstehen was wo etwas mit dem Klang eines Instrumentes ausmacht.

Es können verschiedene Fälle eintreten:
  • Du hast durch Zufall das Optimum für diese Decke und für diese Gitarre getroffen. Dann wirst du dir sagen: Ich habe eine super Gitarre gebaut, weil ich genau das gemacht habe. Wenn du genau das aber bei einem weiteren Instrument machst, wird es nicht das Optimum für diese spezifische Decke sein bzw. das Gesamtsystem Gitarre sein.

    Du hast auf die Zahlen vertraut, die dir jemand in einem Plan gegeben hat. Dann kann es sein, dass die Decke in einem halben Jahr kollabiert, weil das Holz das nicht hergibt, oder du hast sie zu dick gemacht und der Klang ist dann nicht das, was du dir erhofft hattest.

    Du hast eine Gitarre gebaut und dich an die gängigen Prinzipien gehalten, es ist ein schönes und vor allem selbst gebautes Instrument geworden und du hast ein bisschen mehr Ahnung von dem, was Gitarrenbau ist. Dann freust du dich auch.
Ich halte es allerdings für ein wenig ambitioniert, wenn man beim zweiten Instrument ein Meisterwerk erschaffen will. Kein PDF dieser Welt wird dir ein Gefühl für die richtige Dicke beim aushobeln geben können. Niemand kann dir in einem Text erklären, wie genau der Klopfton sich an einer Decke verhält. Die großen Meister dieser Zunft haben ihre Meisterschaft in vielen Stunden in der Werkstatt errungen - ich glaube das wird sich auch im Zeitalter der Digitalisierung nicht großartig ändern. Was mich wirklich dem Klangmysterium einer Gitarre näher gebracht hat, ist der Bau einer weiteren Gitarre. Praktisch ist dabei dann auch, wenn man zwei oder drei Instrumente gleichzeitig baut, denn dann kann man den Unterschied fühlen und hören. Und selbst dann ist es schwierig, eine Decke wie die andere klingen zu lassen.
Das sind aber nur meine bescheidenen Erkenntnisse aus den letzten Jahren meines Schaffens ....
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