Soll der Korpusboden mitschwingen?

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Vater Jaguar
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Soll der Korpusboden mitschwingen?

#1

Beitrag von Vater Jaguar » 19.12.2023, 16:47

Hallo :)

Ich versuche gerade herauszufinden, was das genaue Ziel der Beleistung des Korpusbodens in Bezug auf den Klang ist. Scheinbar gibt es da zwei verschiedene Lager von Gitarrenbauern, die folgende Ziele anstreben:

(A) Der Boden sollte als Reflektor eine möglichst hohe Steifigkeit haben. Die Leisten und das "Bodenholz" werden soweit ausgedünnt, wie es für diesen Zweck noch geht, einfach für ein leichtes Instrument (welches sich so bequemer spielt).
(B) Der Boden sollte möglichst gut schwingen, so trägt er zur Entfaltung des Tons bei.

Da kommen mir aber Fragen auf:

? (A) Warum werden bei Gitarren dieses Typs die Leisten zu den Zargen hin soweit ausgedünnt? Würde das nicht eine Vibration des Bodens fördern und den "Reflektor-Effekt" stark mindern? Sollte er nicht lieber massiver mit den Zargen verbunden sein?

? (B) Es werden gerne massige Hölzer für den Boden verwendet, die häufig eher träge in der Ansprache sind. Wäre da nicht Fichte die perfekte Wahl? Ästhetik und Stabilität sind natürlich Faktoren, aber sollten sich meiner Meinung nach, wenn dieser Theorie gefolgt wird, soweit es geht dem klanglichen Faktor unterordnen.

? (B) Bringt die Schwingfreudigkeit des Bodens überhaupt noch was, wenn er beim Spielen am Körper gedämpft wird?

Mir ist das Ganze ein Rätsel. Verstehe ich das Thema richtig? Gibt es diese zwei Lager von Meinungen oder fließen beide in einem Paradoxon zusammen?
Mich würde euer Senf dazu sehr interessieren!

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Gerhard
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Re: Soll der Korpusboden mitschwingen?

#2

Beitrag von Gerhard » 20.12.2023, 09:05

Ich habe bereits beide Varianten gesehen, gehört und gebaut. Beides geht, jedoch ist das Ergebnis bei einem resonanten Boden viel zufälliger als bei einem Reflektorboden. Inzwischen baue ich eigentlich nur noch Reflektorböden, ich persönlich erziele damit die besten und konstantesten Ergebnisse.
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Re: Soll der Korpusboden mitschwingen?

#3

Beitrag von Burghard » 20.12.2023, 12:22

Gerhard hat geschrieben:
20.12.2023, 09:05
Inzwischen baue ich eigentlich nur noch Reflektorböden, ich persönlich erziele damit die besten und konstantesten Ergebnisse.
Hallo Gerhard,
du hattest mal geschrieben das du deine Böden auf 2,5 mm Dicke ausarbeitest und mit zwei oder 3 Leisten verstärkst.
Meinst du das mit Reflektorböden ?
Die Barockgitarrre ist ja ein gutes Beispiel für mitschwingende Böden.

Bei der Klassikgitarre Spielhaltung liegt die Gitarre ja auf dem Oberschenkel und der Boden wird wenig abgedämpft.
Ich hab so ein dutzend Gitarren mit unterschiedlichen Böden. Man kann gut die Unterschiede der der Hölzer heraushören wenn man die Rückseite der Gitarre beim anschlagen eines Tones abhört. Ich arbeite die Böden auch fast gleich aus. Angelika Waltner schreibt im
"Aspekte des Gitarrenklangs" das der Böden wie ein Filter wirkt.
Gruß Burghard
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Re: Soll der Korpusboden mitschwingen?

#4

Beitrag von Gerhard » 20.12.2023, 14:06

Burghard hat geschrieben:
20.12.2023, 12:22
du hattest mal geschrieben das du deine Böden auf 2,5 mm Dicke ausarbeitest und mit zwei oder 3 Leisten verstärkst.
Meinst du das mit Reflektorböden ?
Nein, das wäre eher ein mitschwingender / resonanter Boden. Die waren auch graduell ausgearbeitet, teilweise nur 1,5mm am Rand. Inzwischen mache ich 3,5mm durchgehend oder sogar 4mm bei leichteren Hölzern.
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Re: Soll der Korpusboden mitschwingen?

#5

Beitrag von Vater Jaguar » 23.12.2023, 16:45

Gerhard hat geschrieben:
20.12.2023, 09:05
Ich habe bereits beide Varianten gesehen, gehört und gebaut. Beides geht, jedoch ist das Ergebnis bei einem resonanten Boden viel zufälliger als bei einem Reflektorboden. Inzwischen baue ich eigentlich nur noch Reflektorböden, ich persönlich erziele damit die besten und konstantesten Ergebnisse.
Dünnst du dann beim Reflektorboden die Leisten an ihren Enden aus oder lässt du das Holz eher stehen, um einen "steiferen" Kontakt zu den Reifchen zu erzeugen? Mich interessiert sehr, ob ein Reflektorboden besser funktioniert, wenn er möglichst unabhängig vom Korpus als eine Art "steife Membran" reflektiert oder wenn er solide mit dem Korpus verbunden ist. An dieser Stelle verstehe ich nicht, wieso sich Reflektorböden und Resonanzböden in der Bauweise so ähnlich sehen.

Ihr habt mir auf jeden Fall schon sehr weitergeholfen, vielen Dank! :)

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Re: Soll der Korpusboden mitschwingen?

#6

Beitrag von Gerhard » 23.12.2023, 17:12

Vater Jaguar hat geschrieben:
23.12.2023, 16:45
Dünnst du dann beim Reflektorboden die Leisten an ihren Enden aus oder lässt du das Holz eher stehen, um einen "steiferen" Kontakt zu den Reifchen zu erzeugen? Mich interessiert sehr, ob ein Reflektorboden besser funktioniert, wenn er möglichst unabhängig vom Korpus als eine Art "steife Membran" reflektiert oder wenn er solide mit dem Korpus verbunden ist.
Ich federe die Balkenenden schon aus, auf ca. 5mm. Das ist steif genug, und der Grund ist, dass die Balkenenden ja ins Reifchen eingelassen werden. Ein 15mm hoher Balken wäre da gleich mal zu hoch.
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Re: Soll der Korpusboden mitschwingen?

#7

Beitrag von Vater Jaguar » 23.12.2023, 22:13

Gerhard hat geschrieben:
23.12.2023, 17:12
Ich federe die Balkenenden schon aus, auf ca. 5mm. Das ist steif genug, und der Grund ist, dass die Balkenenden ja ins Reifchen eingelassen werden. Ein 15mm hoher Balken wäre da gleich mal zu hoch.

Das klingt einleuchtend! Vielen Dank. Da merkt man, dass ich in der Thematik ein blutiger Anfänger bin. Langsam ergibt sich ein sehr logisches Bild :)

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Re: Soll der Korpusboden mitschwingen?

#8

Beitrag von Vater Jaguar » 23.12.2023, 22:14

Und schonmal
Frohe Weinachten!

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Re: Soll der Korpusboden mitschwingen?

#9

Beitrag von Hasi » 27.01.2024, 17:27

Ervin Somogy beschreibt in diesen Videos mMn. sehr gut den Zusammenhang von Decke und Boden. Er spricht hier auch von einem Resonatorboden; heißt eher schwer.

https://www.youtube.com/watch?v=cRTRhwDprjY
https://www.youtube.com/watch?v=fAEQKmyB5Nk
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