Welche optimale Schalllochgröße...?

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Welche optimale Schalllochgröße...?

#1

Beitrag von viento » 10.06.2022, 18:18

Welche Rolle spielt die Schalllochgröße?
So groß, daß ich mal durchfassen kann, muß sie wohl sein.
Aber ist größer besser.?
Ich habe zwei Jumbos mit fast gleichen Ausmessungen aber verschiedenen Deckenmaterialien.
Die mit Western Red Cedar (6-saitig) hat 11 cm, die aus Fichte (12-saitig)hat 9 cm.

Gibt es eventuell "Rezepte"?
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Re: Welche optimale Schalllochgröße...?

#2

Beitrag von Sven » 10.06.2022, 20:23

viento hat geschrieben:
10.06.2022, 18:18
Welche Rolle spielt die Schalllochgröße?
So groß, daß ich mal durchfassen kann, muß sie wohl sein.
Aber ist größer besser.?
Ich habe zwei Jumbos mit fast gleichen Ausmessungen aber verschiedenen Deckenmaterialien.
Die mit Western Red Cedar (6-saitig) hat 11 cm, die aus Fichte (12-saitig)hat 9 cm.

Gibt es eventuell "Rezepte"?
Die Größe des Schallloches soll mit dem Korpusvolumen korrespondieren.
Das Korpusvolumen berrechnest du, indem du die Deckenfläche mit der Zargenhöhe multiplizierst.
Da die Decke von einer Kurve umrandet ist, lässt sich die Fläche nur näherungsweise berechnen.
Dazu hab ich hier mal recherchiert: https://www.gitarrebassbau.de/viewtopic ... 3&p=150122 (Dort ist auch die Formel zur Berrechnung der Deckenfläche)
Wie genau der Schalllochdurchmesser sich aus dem Korpusvolumen errechnet, dazu hatte ich nichts gefunden. Daher habe ich drei unterschiedliche Gitarren von mir (Oktavgitarre, Primgitarre und Bassgitarre), die aber vom selben Gitarrenbauer stammen, vermessen, also das Volumen berechnet, den Schalllochdurchmesser gemessen und dann in einem Graphen Volumen gegen Schalllochdurchmesser eingezeichnet. Es ergab sich ein linearer Zusammenhang, aus dem ich dann den Schalllochdurchmesser für die Quartgitarre aus meinen leider noch nicht beendeten letzten Wettbewerbsbauthread Trio abgelesen habe.
All dies bezieht sich aber auf Konzertgitarren. Rein physikalisch betrachtet, würde ich sagen, dass bei Stahlsaiten die Größe des Schallloches auf die gleiche Weise mit dem Korpusvolumen korrespondiert, aber ich bin mir nicht sicher.

Es wurde hier im Forum schon öfter der Helmholtz-Resonator als Berechnungsgrundlage vorgeschlagen, aber da der Helmholtz-Resonator ein akustisches Idealbild ist, ein Kugelvolumen mit Kreisöffnung, dessen Wandmaterial kein eigenes Schwingungsverhalten zeigt, also das einzig schwingende, massenbehaftete Element die Luft darin ist, glaube ich nicht, dass die Formel zur Berechnung für Gitarren geeignet ist.

Ich glaube, du wärst am besten beraten, wenn du zunächst mal eine fertige Gitarre als Vorlage verwendest und die Maße kopierst.
Oder du kannst, ähnlich wie @ValentinSs Wartungsöffnung, eine Gitarre mit einstellbarem Schalllochdurchmesser bauen, z.B. mit austauschbaren Ringeinsätzen. Dann könntest du die Wirkung auf den Klang experimentell durchspielen.

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Re: Welche optimale Schalllochgröße...?

#3

Beitrag von ValentinS » 10.06.2022, 21:10

Nach meinem "gefühlten" Verständnis ist es sinnvoll bei kleineren Korpusformen ein kleineres Schalloch zu bauen als bei grossen. Beobachtet hab ich das auch zum Beispiel bei der Seagul "Grand" (sie heisst "Grand" ist aber winzig) - die hat ein 80er Schalloch.
Den Ansatz von @Sven finde ich insofern gut, dass Du experimentell am besten an ein und demselben Instrument testest. Ein Schalloch an einem Deiner fertigen Instrumente reversibel zukleben geht natürlich auch. Schalloch schützen durch Masking Tape und dann das Schalloch mit Fichten-Halbmond-Stücken immer weiter zukleben und schauen, wie sich der Klang verändert.
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Re: Welche optimale Schalllochgröße...?

#4

Beitrag von Ketarrenmacher » 10.06.2022, 22:59

In gewissen Grenzen senkt ein kleineres Schallloch die Resonanzfrequenz ab. So kann man bei kleineren Gitarren auch eine gute Basswiedergabe erreichen.
Beispiel Martin Gitarren. Dread 103mm, eine 000 kommt mit 98mm daher und eine kleine 0 mit etwa 95mm.
Meine C1, die vom Volumen zwischen D und 000 liegt hat 100mm.
Zum Glück habe ich einen sehr experimentierfreudigen Freund. Eigentlich wollte er "nur" einen hübscheren Feedbackkiller haben. Er hat Holzscheiben gebaut, die mittels Gummilippe sehr fest im Schallloch sitzen und die verschiedenen große Schalllöcher haben. Wir haben hörbar festgestellt, dass die Resofrequenz mit kleiner werdendem Schallloch sinkt, aber ab einem bestimmten Punkt, Schallochdurchmesser kleiner 50%, die Bassfrequenz einbrach und sich immer weniger deutliche Resonanzpunkte zeigten. Das war mehr oder weniger ein Schwingungsbrei. Dabei war dann auch ein deutlicher Lautstärkeeinbruch hörbar.
Das ganze fand natürlich nicht unter Laborbedingungen statt, aber die Tendenzen waren deutlich.

Das eine 12-String mit kleinerem Schallloch ausgestattet ist, macht Sinn. Die Basssaiten sind ja in der Regel dünner als bei 6-Saitern und durch die Chöre ist der Diskant ohnehin dominant. Durch ein kleineres Schallloch wird der Bass angehoben und der evtl. Lautstärkeverlust wird durch den höheren Gesamtzug aufgefangen.

Deep body OM Modelle oder L-OO Gibsons gefallen mir vom Klang her z.B. nicht, ich finde die zu wummerig. Mag daran liegen, dass das Schallloch nicht an das größere Volumen angepasst wurde.
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Re: Welche optimale Schalllochgröße...?

#5

Beitrag von viento » 10.06.2022, 23:31

Ich danke Euch für die interessanten Ausführungen!
Vielleicht sollte ich mal das große Schallloch wie beschrieben etwas verkleinern um zu hören, ob und wie sich da etwas tut. Oder vielleicht auch mal eine Gitarre bauen, die einen Schieber am Loch hat. Ich denke das alles mal durch.

Ich habe heute mal zwei runde Streifen am Rand des größeren Schalllochs befestigt und keinen Unterschied gemerkt.
Das mag an meinen alten Ohren liegen.
Aber bei der nächsten Gitarre mache ich das Loch einen Tick kleiner, so um die 10 cm.

Interessanter link dazu von MARTIN: http://martinrep.com/dimensions.html
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Re: Welche optimale Schalllochgröße...?

#6

Beitrag von Roland Gibson » 11.06.2022, 13:49

Nebenbei: Es gibt bei den Gitarren der Romani zwei Arten, eine mit einem kleinen Loch und eine mit einem großen. Das kleine Loch dient der Konzentration der Schallwellen, um als Solist den Ton weiter in den Raum hinein schallen zu lassen. Das große Loch ist für die Rhythmusgitarre.

José Gonzales klebt sein Schallloch nicht nur zu, um die Rückkopplung zu vermeiden, sondern auch um den Ton auf das Mikro zu konzentrieren.

Fazit: Man muss wissen, wohin und wie weit der Ton hin soll. Entsprechend das Schallloch setzen. Gibt ja auch welche oben, die für den Spieler besser zu (abzu)hören sind.
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Re: Welche optimale Schalllochgröße...?

#7

Beitrag von Winkl15 » 11.06.2022, 20:16

... Das Betrifft jetzt nicht spezifisch die Größe des Schalllochs, aber weil die hier mit dem Korpusvolumen in Verbindung gebracht wurde, musste ich an diesen Beitrag von Allan Carruth im acousticguitarforum denken. Ist Englisch, aber mMn lesenwert. :)

Nur um hier ein wenig zu relativieren und in Erinnerung zu rufen, dass wir es mit einem recht komplexen System zu tun haben...
(Sven hats eh schon angesprochen. Der Grund für den linearen (!) Zusammenhang bei seinen Messungen ist wohl die Ordnungsliebe des Schöpfers der vermessenen Gitarren, nicht? ;) )
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Re: Welche optimale Schalllochgröße...?

#8

Beitrag von aristarch » 04.10.2022, 14:11

Warum werden bei klassischen oder Western-Gitarren eigentlich keine F-Löcher gebaut?
Die haben sich ja im Geigen/Cello/Kontrabass-Bau über Jahrhunderte als optimal herausgestellt. Die sollten doch für eine Gitarre auch gut funktionieren?
(Bei E-Gitarren findet man sie ja oft bei den semi-akustischen Modellen, aber ich glaube da ist es eher eine ästhetische Sache ... da will ich jetzt gar nicht drauf eingehen).

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Re: Welche optimale Schalllochgröße...?

#9

Beitrag von Ketarrenmacher » 04.10.2022, 20:50

aristarch hat geschrieben:
04.10.2022, 14:11
Warum werden bei klassischen oder Western-Gitarren eigentlich keine F-Löcher gebaut?
Die haben sich ja im Geigen/Cello/Kontrabass-Bau über Jahrhunderte als optimal herausgestellt. Die sollten doch für eine Gitarre auch gut funktionieren?
Ein wichtiger Aspekt das nicht zu tun ist.....da ist immer irgendwo eine Leiste im Weg. :D
Cellos, Geigen, Archtopgitarren funktionieren auch auf einem anderen Prinzip der Schwingungsübertragung auf die Decke.
Cello etc. nach dem Trommelprinzip, Stahl-und Nylonsaitengitarren i.d.R. nach dem Auslenkungsprinzip durch Hin-und Herschwingen um die Längsachse der Brücke.
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