Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

Einstellung des Instrumentes: Optimaler Saitenabstand, Bundreinheit usw.
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MiLe
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Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#1

Beitrag von MiLe » 17.06.2016, 14:56

Moin,

da ich aktuell mit eiem Headless-Projekt schwanger bin (das dauert bestimmt länger als 9 Monate) eine Verständnisfrage:

Gegeben: Standard-Tuning 6 Saiten E-e
Mensur: 650 mm
Saiten: 10-46

Bei einer "normalen" Gitarre ist ja die gesamte, zu stimmende/spannende Saitenlänge deutlich größer als die Mensur, weil noch die Stücke Sattel-Mechanik und Bridge-Ballend dazukommen.
Besonders drastisch z.B. bei einer Strat, weil die weit entfernte Mechanik und Saite quasi stb durch den Masseblock vom Vibrato.
Bei Mensurlänge 65 cm wäre dann die zu stimmende Saitenlänge rund 85 cm, somit rund 30% länger als die Mensur.

Gehe ich richtig in der Annahme, daß beispielsweise diese 10er e-Saite für die gleiche Zielfrequenz stärker deshalb gespannt werden muss als bei einer Headless-Gitarre, wo die Saitenüberhänge deutlich kürzer sind?

Wäre dann die Schlussfolgerung korrekt dass - um die gleiche Saitenspannung zu erreichen wie z.B. bei einer Strat mit 10er e-Saite, eine 11er-Saite in die richtige Richtung ginge?

Ich fände das eigentlich ein Argument pro Headless, weil dann bei ähnlicher Saitenspannung die dickeren Saiten besser am PU-hängen und auch "griffiger" sind, ohne eine Mörderspannung aufzubauen, die Bendings schwer macht.
Liebe Grüße,
Michael

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#2

Beitrag von capricky » 17.06.2016, 15:19

Also ich bin dafür, daß die Zugspannung /-kraft bei gegebenen Saiten und Mensur, egal wie weit oder kurz es über die Auflagepunkte Sattel und Brücke hinausgeht, immer gleich ist. (think)

capricky

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#3

Beitrag von MiLe » 17.06.2016, 15:39

Ich bin skeptisch, kann's aber nicht schlüssig begründen :D
Liebe Grüße,
Michael

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#4

Beitrag von Jackhammer » 17.06.2016, 15:54

Ich stimme dem Meister zu, die Tonhöhe hängt von der Masse, Spannung und der Länge des schwingwndes Teiles der Seite ab. Also bei der gleich bleibenden Masse und Länge des schwingenden Seite hast Du konstante Spannung unabhängig von der Gesamtlänge.
Viele Grüße
Yuriy

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#5

Beitrag von jhg » 17.06.2016, 16:01

Da würde ich aus sagen - falsch gedacht!
Die Frequenz der Saite ist ja abhängig von der Länge der Mensur und ihrer Spannung (und ihrem Durchmesser bzw. Masse). Spannst du also die Saite mit 100N um bei einer Mensur von 650mm den Ton A zu bekommen, ist doch die Zugspannung der Saite überall gleich, auch wenn sie noch kürzer oder länger überhängt. Es sei denn die Reibung am Steg oder Sattel wäre enorm hoch - dann wäre sie nicht überall gleich. Aber genau das, will man ja vermeiden ...
Um es vielleicht bildlich zu erklären: Würdest du an einer beliebigen Stelle eine Federkraftwaage einbauen, dann zeigt diese immer die gleiche Kraft an, egal an welchem Punkt - innerhalb oder außerhalb der Mensur.

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#6

Beitrag von helferlain » 17.06.2016, 16:29

MiLe hat geschrieben:...die ... zu stimmende/spannende Saitenlänge ...
Da liegt das Verständnisproblem:

- stimmende Saitenlänge = Mensur. Bei einer 650 mm Mensur wird auch nur der Bereich zw. Sattel und Steg beim Stimmen betrachtet. Ein 12er Saitensatz wird dabei mit mehr Kraft gestimmt als z.B. ein 9er Satz.
Wendet man für dickere Saiten die eine ähnlich geringe Kraft auf wie bei den dünneren, ist die Saite entsprechend tiefer gestimmt. Deshalb sind die angebotenen Saitensätze für tiefere Stimmungen auch dicker.

- spannende Saitenlänge = die gesamte Saite, incl. Überstand am Sattel und Steg. Die Saite steht natürlich insgesamt unter der gleichen Zugspannung. DIe Länge der Überstände und wie sie geführt werden, wirkt sich auf die Stimmstabilität aus, weil es duch die Reibung an Mechanikwelle, Saitenniederhalter, Sattel, Steg, Umlenkung, Tremoloblock usw manchmal etwas dauert, bis sich die Zugspannung gleichmäßig auf die Saite verteilt.

Daraus ergibt sich auch der Vorteil bei Headless Systemen: Die meisten kommen mit einem sehr kurzen, direkt geführten Überstand an Sattel und Steg aus.

Besonders bei alternativen Stimmungen kann es Sinn machen, den Saitensatz entsprechend anzupassen. Einige Hersteller bieten Dazu Tabellen an, es gibt auch Möglichkeiten, die Zugspannung zu berechnen.
Grüße, helferlain
"Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist." - Henry Ford

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#7

Beitrag von thoto » 17.06.2016, 16:40

Ich hätte mir das (in meiner vollkommenen Sorglosigkeit) so vorgestellt und gergeleitet:

Ich stelle mir vor, ich würde die gestimmten Saiten mit einem Klemmsattel und an den Stegreitern fixieren. Anschließend müsste ich die Saiten hinter dem Sattel lockern können und hinter den Stegreitern auch, ohne dass sich die Stimmung verändert.
Das würde für mich bedeuten, dass nur die Mensur als Länge(!) entscheidend ist.

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#8

Beitrag von MiLe » 17.06.2016, 16:45

OK OK, Ihr habt mich überredet (whistle)

Danke für alle Antworten und die ausführlichen Versuche, das selbst mit begreiflich zu machen - es hat diesmal tatsächlich geholfen
:D
Liebe Grüße,
Michael

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#9

Beitrag von kehrdesign » 17.06.2016, 16:49

In der technischen Mechanik spricht man bei diesem Anwendungsfall von einer Seilkraft. Und die ist an jeder Stelle, auch an reibungsfreien Umlenkungen/Abstützungen gleich (immer in der jeweiligen "Seil"-Richtung).

Als Denkhilfe: Bei einem gleichmäßig starken, unverletzten Seil weiß man nie, wo es bei reiner Zug-Überlastung reißt.

Dass Saiten meist an der Mechanik-Welle reißen, liegt einfach daran, dass sie (die Saiten) dort am stärksten gebogen, geknickt bzw. verformt werden und der Werkstoff dadurch an dieser Stelle eher ermüdet.

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#10

Beitrag von bea » 17.06.2016, 17:10

MiLe hat geschrieben:Ich bin skeptisch, kann's aber nicht schlüssig begründen :D
Dann erkunde doch mal die zugrundeliegende Physik...
LG

Beate

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#11

Beitrag von capricky » 17.06.2016, 17:16

bea hat geschrieben:
MiLe hat geschrieben:Ich bin skeptisch, kann's aber nicht schlüssig begründen :D
Dann erkunde doch mal die zugrundeliegende Physik...
Das macht er doch ständig, ich kennen keinen, der sich momentan mehr physikalisch engagiert, auch mit schmerzhaften Selbstversuchen!!! 8)

capricky ;)

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#12

Beitrag von Herr Dalbergia » 20.06.2016, 12:10

Man muss Saitenspannung und Saitenzugkräfte unterscheiden. Die länge der saite vor und nach den AUflagepunkten hat nämlich schon Einfluss auf einen der beiden Paramter, aber für Montag morgen kann ich mich gerade nicht mehr festlegen...wen dass mein alter Physikprofessor mitbekommt bin ich geliefert....

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#13

Beitrag von MiLe » 20.06.2016, 13:57

Herr Dalbergia hat geschrieben:Man muss Saitenspannung und Saitenzugkräfte unterscheiden. Die länge der saite vor und nach den AUflagepunkten hat nämlich schon Einfluss auf einen der beiden Paramter, aber für Montag morgen kann ich mich gerade nicht mehr festlegen...wen dass mein alter Physikprofessor mitbekommt bin ich geliefert....
Würde mich freuen, wenn es Dir bei Gelegenheit wieder einfallen würde ;)
Liebe Grüße,
Michael

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#14

Beitrag von kehrdesign » 20.06.2016, 14:33

Herr Dalbergia hat geschrieben:Man muss Saitenspannung und Saitenzugkräfte unterscheiden. Die länge der saite vor und nach den AUflagepunkten hat nämlich schon Einfluss auf einen der beiden Paramter ...
Die Saitenzugkraft ist die, die genau in Saitenrichtung verläuft.

Der Begriff "Saitenspannung" ist dann wohl 'ne ziemlich ungeschickterweise, willkürlich festgelegte Größe. Die sollte dann aber unbedingt exakt definiert sein, da sonst der Konfusion Tür und Tor geöffnet ist.

Wenn die vermeintliche Saitenspannung von der reinen Zugkraft abweicht, können nur Kraftkomponenten auf eine definierte Weise eingerechnet werden, die an Stützstellen/Richtungsänderungen als Reaktionskräfte entstehen. Um etwa die Auflagekraft der Saite bspw. in der Sattelkerbe (als Funktion der Saitenzugkraft und des Knickwinkels) darzustellen, wäre ein solcher Kunstbegriff denkbar ungeeignet und extrem verwirrend. Mir ist aber andererseits bewusst, dass es auch hier einen gewissen Voodoo-Faktor gibt gepaart mit sachlich/fachlicher Unbedarftheit.

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#15

Beitrag von MiLe » 20.06.2016, 14:53

ich bin ja auch blöd - kann es ja selbst ausprobieren :roll:
Ich hab' noch eine alte Hohner ST-Lynx mit Steinberger Jammerhaken und Locking-Nut.

Wenn ich die stimme und dann die Saiten am Sattel festklemme, ändert sich ja nix.
Wenn ich dann die Mechanik wieder löse, also vom Überhang die Spannung nehme, ändert sich an der geklemmten Saite auch: Gar nix.
Also gleiche Spannung (von mir aus auch Saitenzugraft) und gleiche Mensur = gleiche Frequenz, die Überhänge spielen da keine Rolle.
Damit wäre die Theorie zumindest im praktischen Versuch bestätigt - schade eigentlich ;)

Obwohl...was ist beim Benden? Muss ich da bei größeren Überhängen - somit längerer Saite - nicht weiter ziehen als bei einer kürzeren Saite (geklemmt oder Headless)
Sprich, ist der notwendige Weg, um die gleiche Saitenzugkraftserhöhung zu erzielen, bei einer kürzeren Saite nicht kürzer als bei einer längeren Saite? (think)
Liebe Grüße,
Michael

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#16

Beitrag von kehrdesign » 20.06.2016, 15:08

MiLe hat geschrieben: Sprich, ist der notwendige Weg, um die gleiche Saitenzugkraftserhöhung zu erzielen, bei einer kürzeren Saite nicht kürzer als bei einer längeren Saite? (think)
Das ist korrekt.
Gleiche Elastizität vorausgesetzt verhalten sich bei identischer Erhöhung der Seitenzugkraft durch Streckung Saitenlänge und Streckweg proportional zueinander - eine halblange Saite braucht eben auch nur den halben Streckweg für die identische Saitenzug-Erhöhung.

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#17

Beitrag von Herr Dalbergia » 21.06.2016, 06:56

Saitenspannung: die Karft die in der Saite wirkt, bedingt durch Spannung, Querschnitssfläche, Konstruktion, material...
Saitenzugkräfte: die Kraft mit der die Saite an ihren Befestigungspunkten zieht ( auch bedingt im Kräfteparallelogramm bei Knicken / Ablenkungen)

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#18

Beitrag von kehrdesign » 21.06.2016, 11:25

Herr Dalbergia hat geschrieben:...
Saitenzugkräfte: die Kraft mit der die Saite an ihren Befestigungspunkten zieht ( auch bedingt im Kräfteparallelogramm bei Knicken / Ablenkungen)
Die Betrachtung des Kräfteparallelogrammes macht ggf. Sinn bei einer Richtungsänderung der Saite (z.B. am Steg oder Sattel). Damit kann man die aus der Saitenzugkraft als Komponente hervorgehende Auflagekraft und deren Wirkungsrichtung darstellen, was aber bei reibungsfreier Lagerung keine Auswirkung auf die reine Zugkraft der Saite hat.

Anders sieht es beim Anschlagen der Saite aus, was ja durch die Auslenkung auch eine Knickung darstellt aber verbunden mit einer temporären Streckung, die auch kurzzeitig die Saitenzugkraft (und damit auch die Tonhöhe) geringfügig erhöht. Dieser Prozess lässt sich aber durch statische Betrachtung nicht umfassend darstellen. Die dynamische Betrachtung würde hier diesen Rahmen aber gehörig sprengen.
Herr Dalbergia hat geschrieben:Saitenspannung: die Karft die in der Saite wirkt, bedingt durch Spannung, Querschnitssfläche, Konstruktion, material...
Sobald der Querschnitt des rel. steifen Saitenmaterials ins Spiel kommt, handelt es sich im physikalischen Sinn um Drücke (Kraft pro Fläche). Außerhalb von Richtungsänderungen des Saitenverlaufes ist auch diese Größe konstant (Saitenzugkraft pro Querschnittsfläche = negativer Druck). Anders verhält es sich an Knickstellen, wo eine Zugspannungszone und ein Druckspannungszone über den Verlauf des (Saiten-)Querschnitts ensteht.
Kritisch werden kann der Bereich der Zugspannungszone, wo sich die durch Knickung hervorgerufene Komponente zum reinen Saitenzug direkt addiert. Diese erhöhte Materialbelastung wirkt sich umso stärker aus, je größer der Knickwinkel (in Abhängigkeit der Drahtdicke) ist. Ungünstigerweise kommt noch der Fakt dazu, dass hierbei auch noch das Materialgefüge abhängig vom Knickwinkel hoch belastet wird und zur Ermüdung neigt. Das sind dann auch die Stellen der höchsten Bruch-(Riss-)Gefahr der Saite.

Eigentlich ist es für Gitarrenbauer eher unproduktiv, sich mit solch speziellen Dingen zu befassen. Der Begriff „Saitenspannung“ ist dazu auch noch sehr diffus und prädestiniert zum Irrefüren, weil er nicht eindeutig definiert ist. Spannung ist in der technischen Mechanik ein Oberbegriff für vielelei Spannungsarten wie beispw. Zug-, Druck-, Biege-, Knick-, Torsions-, Lochleibungs- oder Scher-Spannung und derer Kombinationen. Die Kräfteverhältnisse sind bei normaler Besaitung und normaler Bauweise hinreichend kalkulierbar und die Punkte der stärksten Knickung und damit höchsten Bruchgefahr sind auch vorhersehbar. Und über die Langlebigkeit entscheiden oft auch völlig unkalkulierbare, sehr subjektive ;) „Belastungsfälle“.

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#19

Beitrag von MiLe » 21.06.2016, 13:24

Anyway - die Länge der Überhänge der Saite über die reine Mensur hinaus macht also im praktischen Einsatz (also beim Gitarrespielen) durchaus einen Unterschied, nämlich bei Bendings.
Da ist bei kurzen Überhängen weniger Weg erforderlich, um eine bestimmte Tonhöhen-Differenz zu erreichen und das hat in meinen Augen einen erheblichen Wert, wenn ich nämlich z.B. die G-Saite nicht mehr so weit unter der a- und d-Saite durchschieben muss.
Ich mußmaße, daß der erforderliche Kraftaufwand der gleiche ist, nur eben auf einen kürzeren Weg verteilt.
Frage somit beantwortet - 1: 0 für Headless :D
Liebe Grüße,
Michael

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#20

Beitrag von kehrdesign » 21.06.2016, 13:58

MiLe hat geschrieben:...
Ich mußmaße, daß der erforderliche Kraftaufwand der gleiche ist, nur eben auf einen kürzeren Weg verteilt....
Richtig.
MiLe hat geschrieben:...
Frage somit beantwortet - 1. 0 für Headless :D
Meinetwegen.
'Längere Überhänge = längere Bending-Wege' bedeutet aber andererseits auch bessere Dosierbarkeit ... :?
Sowas auf Pauschalaussagen wie GUT oder SCHLECHT zu reduzieren geht m.E. aber an den subjektiven Ansprüchen vieler Anwender vorbei.

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Re: Mensur-Gesamtsaitenlänge-Saitenspannung

#21

Beitrag von MiLe » 21.06.2016, 14:40

Den Smiley hast Du aber schon gesehen? ;)
Und - wenn ich nicht explizit etwas anderes schreibe - halte ich nichts von dem, was ich schreibe für allgemeinverbindlich, sondern immer auf meine ganz eigenen, manchmal kuriosen und oft auch für andere sinnfreien Anforderungen und Präferenzen bezogen.
Wollen wir aber doch hier keinen Glaubenskrieg zwischen head und headless auslösen ;)
Liebe Grüße,
Michael

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#22

Beitrag von kehrdesign » 21.06.2016, 15:05

MiLe hat geschrieben:... Glaubenskrieg ... auslösen ...

Mitnichten,
obwohl da der Mensch im Allgemeinen und der Gitarrenmensch im Besonderen erfahrungsgemäß sehr empfänglich wäre ... (whistle)

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