Gibt es Einspiel-Voodoo bei Speakern?

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Gibt es Einspiel-Voodoo bei Speakern?

#1

Beitrag von vrooom » 09.09.2017, 09:12

In unser aller Lieblingssignalkette Holz-Saite-Tonabnehmer-Tonregelung (Git)-Kabel-Tonregelung (Amp)-Lautsprecher gibt es allerlei Muss-eingespielt-und-danach-permanent-mit-den-eigenen-Frequenzen-gefüttert-Werdens, weil das betroffene Ding sonst einschläft und nicht mehr klingt. - Es ist mir immer besonders schwer gefallen, hier den Voodoo überhaupt zu erkennen :? Das dünnes und empfindsames Holz, wie etwa die Decke einer Stradivari, unter Nichtbenutzung leidet, kann ich mir vorstellen. Ein lackierter Block massiver Esche oder Mahagoni hingegen scheint mir nicht so sensibel zu sein :?:

Anyway: Mein aktuelles Thema sind ja Gitarrenlautsprecher. Mir war bis zur Anschaffung des Mustang 4 V.2 nicht klar, einen wie großen soundformenden Einfluss die Lautsprecher wirklich haben ("wirklich", weil ich natürlich bei den Modelern durchaus bemerkt habe, dass ein anderes Cabinet ein vollkommen neues Sounderlebnis bringt, aber Modeler fühlen sich eben...ja, nicht "wirklich" an, wenn Du weisst, was ich meine). - Jetzt lese ich immer wieder, dass Gitarrenspeaker 20 bis 40 (laute) Betriebsstunden brauchen, damit sie als "eingespielt" gelten können. Und wieder stellt sich mir die Voodoo-Frage nach der Signifikanz solcher Aussagen :roll:

Da eine Lautsprechermembran ein mechanisch schwingendes Teil ist, das ab Werk neues und somit irgendwie unentspanntes Material enthält, kann ich mir sehr wohl vorstellen, dass sich der Charakter eines Speakers noch minimal ändert, wenn man ihn eine Weile spielt.
Aber was bedeutet in dem letzten Satz "minimal" und "eine Weile"?
Verwandelt sich der Speaker den ich gestern bestellt habe nach zwei Wochen Einspielens von einem wohlklingenden Dr. Jeckyll in einen schrillen Mr. Hyde?
Oder ist das Einspielen eines Speakers gar kompletter Voodoo?
(think)

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Re: Gibt es Einspiel-Voodoo bei Speakern?

#2

Beitrag von AsturHero » 09.09.2017, 09:18

also ich habe bisher bei meinen BAsslautsprechern eine kaum signifikante Änderung gemerkt zwischen von Werk neu und 20-30 Spielstunden später....ich finde er ist etwas weicher/runder geworden im Ton, aber nicht so, als das man es als völlig anderen CHassis oder CHarakter bezeichnen könnte....
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Re: Gibt es Einspiel-Voodoo bei Speakern?

#3

Beitrag von vrooom » 09.09.2017, 09:41

Das ist schonmal interessant (Donnerwetter, bist Du schnell mit antworten). Eine Veränderung gibt es also eher in Richtung Weichheit und Rundigkeit. Das würde mir gefallen... (dance a)

Edit: Nochmal kurz zu den Modeler-Cabinets. Ich habe beispielsweise den Wechsel eines Cabinets bei meinem V-Amp2 immer nur als Knöpfchendrehen empfunden. Die wirkliche und wirkende Instanz ist der reale Speaker, der den Ton zu meinen Ohren befördert. Natürlich ist der knöpfchengedrehte Cabinetwechsel eine reale und auch massive Soundformung. Aber diese wird durch den physisch vorhandenen Speaker nochmals gequirlt und gefärbt. - Man sucht sich ja sein schönstes Cabinet aus. Dann jedoch komme ich an der prinzipiellen Schrillheit dieses Celestion-Speakers in meinem Mustang 3 nicht mehr vorbei, auch wenn ich noch zusätzlich das Treble runterdrehe. Das hat alles nur "Herumdrehcharakter". Des Pudels Kern ist der reale Speaker.

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Re: Gibt es Einspiel-Voodoo bei Speakern?

#4

Beitrag von bea » 09.09.2017, 10:15

vrooom hat geschrieben:
09.09.2017, 09:41
Das ist schonmal interessant (Donnerwetter, bist Du schnell mit antworten). Eine Veränderung gibt es also eher in Richtung Weichheit und Rundigkeit. Das würde mir gefallen...
Einspieleffekte gibt es bei Lautsprechern, mal mehr, mal weniger ausgeprägt. Die Aufhängung wird weicher, und möglicherweise (!) wird auch das Konusmaterial eine Idee nachgiebiger (ist spekulativ, es würde mich aber wundern, wenn es nicht so wäre).

Das ist also ausnahmsweise mal kein Voodoo.
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Re: Gibt es Einspiel-Voodoo bei Speakern?

#5

Beitrag von vrooom » 09.09.2017, 14:01

Aha, Aufhängung weicher und Konusmaterial nachgiebiger klingt so, wie ich es mir vorstelle (fabrikneues straffes Material "leiert aus" durch Benutzung). Und der Effekt geht aber in Richtung Weichheit und nicht in Richtung Schrillheit, wobei es aber nicht zu erwarten ist, dass der Sound nach zwei Wochen komplett umgekrempelt ist. Das ist willkommen.

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Re: Gibt es Einspiel-Voodoo bei Speakern?

#6

Beitrag von hatta » 09.09.2017, 16:00

Bei meinem greenback heritage mit 20W war es auch so, dass er anfangs etwas "härter" abgwbildet hat und etwas runder wurde mit der zeit.
Das geht aber schleichend und ist nicht so extreem auffällig, dass man wirklich groß etwas sagen könnte.

Völliger voodoo wirds nicht sein, aber man kann es auch überspitzt beschreiben ;)
Gruß
Harald

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Re: Gibt es Einspiel-Voodoo bei Speakern?

#7

Beitrag von MiLe » 09.09.2017, 16:09

moinsen,

die Änderung der Aufhängung betrifft in erster Linie die harzgetränkten Gewebe, also erst mal die Zentrierung, die zumindest bei HiFi-Lautsprechern den ganz überwiegenden Teil der Steifigkeit in Schwingungsrichtung ausmacht. Das betrifft bei den TSP zumindest mal cms, damit VAS und Qms. Diese Weerte können sich in der Anfangszeit ziemlich deutlich ändern, was aber am Ende bei der Gehäuseberechnung keinen sooo großen Unterschied mehr macht, weil sich da die Faktoren zum Teil ausgleichen. VAS wird größer, Qts kleiner.....
Gummisicken ändern sich durch Spielzeit nicht mehr wesentlich, bei Papier- und Gewebesicken kann das anders aussehen.

Mit dem Klangbild hat das auch noch nicht viel zu tun, da geht es eher um die Membran und eben die Sicke, und da wird's schwierig und kann von viel Unterschied bis 0 gehen, je nach eingesetzten Materialien. Alu z.B. ändert sich da wenig, Papier schon deutlich mehr, je nach Mischung. Selbst Komposit-Materialien (z.B. Carbongewebe auf Nomex-Kern) können sich da noch ändern, weil beim Spielen kleine Harzbrücken brechen können.

Interessanterweise geht der Einspiel-Effekt bei einigen Materialien auch wieder zurück, aber nicht bis auf den Punkt des neuen Chassis. Einige sehr renomierte Hersteller/Schwingteilproduzenten empfehlen daher ein mehrmaliges kurzes Einspielen, ca. 15 Minuten. Nach Abkühlen das Ganze noch 3x und man ist weitestgehend im langzeitstabilen Bereich, der aber eben auch noch schwankt - vor Allem bei Temperatur- und Feuchteänderungen (vor Allem natürlich Papier). Eine Pappmebran hat - je nach Beschichtung, schon eine andere Dämpfung bei sehr trockener oder sehr feuchter Luft. Die Temperatur (der Schwingspule) wirkt sich dagegen eher wieder auf die TSP aus.

Fazit: Ein Patentrezept gibt es nicht, dazu gibt's in der Konstruktion zu viele Variablen, die unterschiedlich reagieren können.
Ich hab' bisher Chassis meist 2-3 Stunden bei Resonanzfrequenz freeair bis nahe an den maximalen Hub eingespielt, braucht am wenigsten Leistung, belastet die Schwingspule thermisch nicht so sehr und macht nicht so viel Krach und dann noch 'ne halbe Stunde mit rosa Rauschen mit möglichst hohem Pegel. Einen echten Blindtest eines derart eingespielten Treibers gegen einen fabrikneuen habe ich bisher allerdings nie gemacht, allerdings gibt's ja auch noch Herstell-Toleranzen...macht eine verlässliche Aussage auch nicht eben einfacher.
Da gehen auch die Expertenmeinungen dann auch teils weit auseinander.

Aber: Dran glauben hilft meist ungemein :lol:
Liebe Grüße,
Michael

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Re: Gibt es Einspiel-Voodoo bei Speakern?

#8

Beitrag von bea » 09.09.2017, 21:21

Das mit dem dran glauben ist so ne Sache. Du schreibst ja selbst, dass es zwischen den einzelnen Chassistypen große Unterschiede gibt. Genau so ist es ja von unseren "heißgeliebten" PA-Pappen bekannt. einer meiner inzwischen älteren Lautsprecher, ein Eminence Beta 12, hat sich über die Jahre deutlich in Richtung eines "weicheren" Klangbilds entwickelt, andere haben sich nicht merklich verändert (was meßtechnisch wohl nicht allzu viel bedeuten dürfte).

Aber spielt sich wahrgenommene "Härte" wirklich in dem Bereich ab, den die TSP modellieren, also tiefen Frequenzen?"Höhere" Frequenzen sind für mich bei Gitarrenlautsprechern so Pi mal Daumen die oberen 1 1/2 Oktaven, also der Frequenzbereich, in dem ganz wesentlich Partialschwingungen, aber auch die Bündelung eine Rolle spielen. Also die Frequenzbereiche, die man gerne mittels Frequenzweichen ausblendet.

Aber da dürften die TSP keine Rolle mehr spielen. Was aber sonst?
LG

Beate

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Re: Gibt es Einspiel-Voodoo bei Speakern?

#9

Beitrag von MiLe » 10.09.2017, 00:26

Ich hab' mich da vielleicht ungeschickt ausgedrückt: Für mich sind die Änderung der TSP und Entschärfung in den Präsenzen 2 unterschiedliche Paar Schuhe, die auf unterschiedliche Komponenten eines Treibers bzw. deren Veränderung beim Einspielen zurückzuführen sind.

Für eine verminderte Härte kann eigentlich nur eine Veränderung im Kegel und/oder der Sicke verantwortlich sein. Wie man aber gehörmäßig eine über Jahre nachlassende Härte feststellt, ist mit ein Rätsel bzw. hab' ich dafür weder die goldenen Ohren noch das akustische Languzeit-Gedächtnis ;)

Bei meinen bisherigen Messungen zum Thema Einspielen hatte ich den Fokus eher auf den TSP. Ich meine da auch mal eine leichte Veränderung in den oberen Lagen gemessen zu haben, aber da waren die Abweichungen kleiner als 0,5 db. Waren aber auch HiFi-Treiber mit hochdämpfenden Gummisicken, bei Gewebesicken könnte das eventuell anders aussehen.
Liebe Grüße,
Michael

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Re: Gibt es Einspiel-Voodoo bei Speakern?

#10

Beitrag von bea » 10.09.2017, 02:04

MiLe hat geschrieben:
10.09.2017, 00:26
Wie man aber gehörmäßig eine über Jahre nachlassende Härte feststellt, ist mit ein Rätsel bzw. hab' ich dafür weder die goldenen Ohren noch das akustische Languzeit-Gedächtnis ;)
Solange die Änderungen groß genug sind, braucht es weder das eine noch das andere. Ich habe den Beta 12 über lange Jahre als furchtbar hart empfunden. Das hat sich inzwischen geändert, und zwar interessanterweise, nachdem er mal eine Zeit lang ordentlich als Basslautsprecher belastet wurde. Beim Delta 12 ging das viel schneller - das war ähnlich wie das Einspielen frischer Saiten. Bei den Obertonen habe ich nicht oder kaum etwas wahrgenommen. Aber ich hab weder ein tolles Gehör noch ein tolles Langzeitgedächtnis, sondern bringe einfach alte, frustrierende Erinnerungen mit frischeren Wahrnehmungen zusammen. Über den Kappalite 3015 kann ich nichts sagen, weil der anfangs in einem nicht gescheit abgestimmten Gehäuse gewerkelt hatte. Doch: bei hohen Frequenzen gab es subjektiv keine Änderungen.
Waren aber auch HiFi-Treiber mit hochdämpfenden Gummisicken, bei Gewebesicken könnte das eventuell anders aussehen.
lass mich mal als Arbeitshypothese in den Raum stellen: je einfacher ein Lautsprecher aufgebaut ist, besonders hinsichtlich seiner Aufhängung und Membrankonstruktion, desto größere Effekte sind zu erwarten. Korrelation in etwas mit der gewünschten Wiedergabegenauigkeit.

In diesem Sinne sind Gitarrenlautsprecher lange nicht so hochgezüchtet wie HiFi-Chassis, und die hochwertigen PA-Pappen dürften in dieser Hinsicht dazwischen liegen, die einfachen (zu denen die beiden genannten 12er gehören) näher bei den Gitarrendingern.
LG

Beate

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Re: Gibt es Einspiel-Voodoo bei Speakern?

#11

Beitrag von MiLe » 10.09.2017, 14:22

Einspruch Euer Ehren :)

HiFi-Speaker sind nicht komplexer als Gitarrenspeaker, nur anders ausgelegt. Entscheidend dürften die Materialien sein, die aber nichts mit einfacher oder billiger zu tun haben: Sicke Gummi vs. Gewebe oder Pappe, Membran Papier vs. Alu, Composit........
Ein Blechkorb wird sich durch das Einspielen auch nicht mehr verändern als Aluguss, Schwingspulendraht und -Träger auch nicht, selbst die Klebstoffe werden sich nicht viel nehmen und die Zentrierungen sind im Prinzip identisch aufgebaut, wenn auch bei den Pro-Chasis in der Regel härter.
Liebe Grüße,
Michael

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