E-Gitarre aus dem 3D-Drucker

Wie baue ich mir eine elektrische Gitarre?

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sharkunicorn
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E-Gitarre aus dem 3D-Drucker

#1

Beitrag von sharkunicorn » 18.06.2017, 12:11

Hallo zusammen,

seit ca. einem Jahr beschäftige ich mich damit eine E-Gitarre komplett mittels 3D-Druck-Verfahren aus Kunststoff herzustellen.

Das ist hautsächlich damit begründet, dass ich eine Gitarre auf meine individuellen Bedürfnisse angepasst gestalten wollte, und dass mir die traditionelle Holzbauweise schicht und einfach zu kompliziert ist bzw. meine Ausrüstung und Fähigkeiten dafür zu gering sind.

Meiner Meinung nach sind weitere Vorteile:
    Da Holz ein natürlich vorkommender Rohstoff ist, kann die Holzqualität selbst bei gleichen Ausführungen eines Instruments so unterschiedlich sein, dass die Klangqualität deutlich variieren kann. Die Verwendung von Kunststoffen (hier exemplarisch Polymilchsäuren (PLA)) zur Herstellung einer elektrischen Gitarre gewährleistet eine einheitliche Produktqualität ohne mögliche klangliche Einbußen. Das ist erstmal unabhängig von der Frage, ob man Kunststoff überhaupt für ein geeignetes Material für den Gitarrenbau hält. Dabei wird das 3D-Druckverfahrens mittels geschmolzener Materialien eingesetzt.
      Außerdem sind viele Holzsorten, die zum Bau von elektrischen Gitarren verwendet werden können mittlerweile geschützt, z. B. alle Palisander-Hölzer seit 02.01.2017 mit Beschluss der 17. CITES (Internationale Artenschutzkonferenz). Die Verwendung von Kunststoffen ermöglicht es unabhängig von vom natürlichen Rohstoff Holz zu werden und damit verbundene mögliche Artenschutzverletzungen zu vermeiden. Zudem sind viele der möglichen verwendbaren Kunststoffe aus Biomasse hergestellt bzw. biologisch abbaubar und daher sehr umweltfreundlich, z. B. das hier verwendete PLA.
        Unter anderem führt die Verwendung von Holz zu einem relativ hohen Gewicht von 3-4 kg bei elektrischen Gitarren. Die Verwendung von Kunststoffen für die Herstellung einer elektrischen Gitarre erlaubt ein geringeres Gewicht von 2 – 2,5 kg.
        Elektrische Gitarren sind im Allgemeinen nicht frei konfigurierbar, sondern werden so wie sie sind gekauft. Ausnahmen sind teure Einzelanfertigungen bei entsprechenden Gitarrenbauern. Die einzelnen Komponenten könnten auch schon im Vorfeld auf Wunsch eines Nutzers individuell angepasst werden, z. B. Anpassung des Halsprofils an anatomische Gegebenheiten des Kunden oder spezifische Vorlieben.
          Elektrische Gitarren sind nach dem Erwerb im Allgemeinen nur mit größerem Aufwand oder gar nicht mehr veränderbar. Die von mir konstruierte E-Gitarre hat einen modularen Aufbau aus mehreren Komponenten. Dies ist natürlich auch der Tatsasche geschuldet, dass mein 3D-Drucker keine größeren Ausdrucke erlaubt. Dabei sind die Komponenten des Gitarrenhalses verklebt, die Komponenten des Korpus dagegen verschraubt. Diese Verschraubung ermöglicht es, dass Aussehen der Gitarre auch nachträglich noch in Bezug auf Form, Farbe oder Konsistenz (Hohl- oder Festkörper) durch angepasste Komponenten zu verändern.

          Die angehängten Bilder zeigen eine Kombination aus meinen ersten drei Prototypen. Diese sind momentan rein auf Funktion und nicht auf Klang, Optik, Haptik oder Bespielbarkeit ausgelegt.

          Pinzipiell funktioniert das Ganze, aber das größte Problem, mit dem ich mich momentan rumschlage ist die Steifigkeit des Gitarrenhalses. Es ist leider möglich mit relativ geringem Kraftaufwand den Hals so zu verbiegen, dass der Ton schwankt. Vielleicht seid ihr ja auch schon bei euren Selbstbauversuchen auf dieses Problem gestossen, und habt Ideen, wie ich die Halsteifigkeit verbessern könnte.

          Mehr zum Thema (auch Hörbeispiele) findet ihr auf meiner Webseite:

          https://sharkunicorn.com/

          Ich bin gespannt auf eure Reaktionen.

          Alles Gute und Schöne,

          Marcus
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          Re: E-Gitarre aus dem 3D-Drucker

          #2

          Beitrag von Gerhard » 18.06.2017, 12:37

          Servus Marcus,
          zum Thema Plastikgitarren habe ich überhaupt keine Liebe, aber zum Thema Eignung kann ich dir sagen, dass Mario Maccaferri nach seiner Emigration nach Amerika sehr erfolgreich Plastikukulelen und weniger erfolgreich Plastikgitarren (akustisch!) gebaut hat. Allesamt sollen sehr gut klingen, selbst habe ich aber noch keine gehört.
          Viel Erfolg für dein Projekt wünscht
          Gerhard

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          Re: E-Gitarre aus dem 3D-Drucker

          #3

          Beitrag von Poldi » 18.06.2017, 15:54

          Ein wirklich sehr interessantes Projekt. Gutes Gelingen erstmal.

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          Re: E-Gitarre aus dem 3D-Drucker

          #4

          Beitrag von hansg » 18.06.2017, 17:20

          Poldi hat geschrieben:
          18.06.2017, 15:54
          Ein wirklich sehr interessantes Projekt. Gutes Gelingen erstmal.
          dto.
          Evtl. könntest du beim Hals noch zwei Carbonstäbe mit einkleben.
          Das würde die Steifigkeit noch etwas erhöhen

          Gruss
          Hans

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          Re: E-Gitarre aus dem 3D-Drucker

          #5

          Beitrag von MiLe » 18.06.2017, 18:42

          Mann Mann Mann - muss das eine Arbeit gewesen sein, alles zu zeichnen :shock:
          Also in den nächsten Wochen würde ich mit der Idee einer ausgedruckten Gitarre wohl noch nicht so warm werden, liegt vielleicht am Alter :?
          Aber die Möglichkeit zu haben, einige Teile so herzustellen, und wenns nur für's Prototyping ist, ist auch schon 'ne klasse Sache.
          sharkunicorn hat geschrieben:
          18.06.2017, 12:11
            Unter anderem führt die Verwendung von Holz zu einem relativ hohen Gewicht von 3-4 kg bei elektrischen Gitarren. Die Verwendung von Kunststoffen für die Herstellung einer elektrischen Gitarre erlaubt ein geringeres Gewicht von 2 – 2,5 kg.
            Aber nur, wenn dann auch der Hals hält ;) - da erklärt sich dann das Holzgewicht zumindest zum Teil.
            Ich schließe mich Hans an, 2 UD-Stäbe links und rechts vom Trussrod, die sollten so hoch wie möglich bauen, denn aus der Höhe kommt die Kraft.
            Liebe Grüße,
            Michael

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            Re: E-Gitarre aus dem 3D-Drucker

            #6

            Beitrag von Titan-Jan » 18.06.2017, 22:07

            Ich kenne mich beruflich bedingt auch ganz gut mit 3D-Druckern (und insbesondere dem FDM-Verfahren) aus. Deine Teile sehen ja sehr sauber aus, was für einen Drucker hast du denn, wenn ich fragen darf?

            Den Hals mit Carbonstäben zu versteifen macht Sinn, wie schon vorgeschlagen wurde. Kunststoffe fließen generell sehr gerne (teilweise auch seeeehr langsam). Noch mehr als bei einem Holzhals besteht die hier Gefahr, dass der Hals sich im Laufe der Monate dauerhaft durchbiegt.

            Wie ist denn der innere Aufbau? Hast du eine Wabenstruktur und wenn ja, in welche Richtung wurde die beim Hals gedruckt? Die Druckrichtung (bzw. die Auswahl der Ebene, in der die Schichten gedruckt werden) hat beim FDM-Verfahren SEHR großen Einfluss auf die Steifigkeit und ist auch eine der größten Nachteile dieser Technologie.
            Hast du es schon mit anderen Materialien als PLA probiert? Vlt gibt es ja noch steifere.... (wobei Steifigkeit eigentlich immer aus der Konstruktiion und nicht aus dem Werkstoff kommen sollte...)

            Abgesehen von der Steifigkeit des Halses:
            Die Bünde solltest du wirklich aus Metall machen. Alles andere ist nicht wirklich fest genug.... Mit den gedruckten Bünden wirst du nicht lange Freude haben.

            sharkunicorn
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            Re: E-Gitarre aus dem 3D-Drucker

            #7

            Beitrag von sharkunicorn » 21.06.2017, 20:08

            Hallo zusammen,

            vielen Dank für die vielen Rückmeldungen :)

            Als Halsversteifung habe ich zwar keine Carbonstäbe ausprobiert - hätte die allerdings schon auf Lager - aber ich habe bei meiner Protoypen Serie 4 zwei Alu-T-Profile eingesetzt. Auf dem unteren Bild erkennt man diese noch ansatzweise zwischen Griffbrett und Aussparung für den Tonabnehmer. Bringt aber leider keine entscheidende Verbesserung.
            Bei einer andere Hals-Version von Prototyp 4 hatte ich auch noch die Idee den Übergang von Hals zu Kopfplatte mittels 2mm Stahlstreifen zu verstärken (mittleres Bild). Leider auch kein Effekt.

            Ich drucke mit dem Renkforce RF1000 von Conrad. Allerdings habe ich bei den ziemlich langen Druckzeiten von teilweise über 16 h jetzt schon zum zweiten Mal die Extruderheizung gehimmelt (ist momentan mal wieder auf Garantie zurück bei Conrad).

            Für meinen Prototyp 4 habe ich eine Kunststoff-Holz Mischung verwendet. Allerdings weniger wegen der Steifigkeit, als in Bezug auf die Nachberabeitungsmöglichkeiten. PLA lässt sich nicht so gut Feilen und Schleifen. Das obere Bild zeigt diesen Prototyp.

            Beim Füllgrad habe ich auch experimentiert. Von 20% mit Diagonalstruktur bis zu 100% Füllgrad alles ausprobiert. Auch verschiedene Schichtdicken und Druckgeschwindigkeiten.
            Die Prototypen 1-4 habe ich alle flach liegend ausgedruckt.
            Momentan bin ich bei Prototyp 5 der als Material PETG verwendet und den ich ohne Kopfplatte als Headless Gitarre konstruiert habe. Diesen möchte ich hochkant ausdrucken.

            Die Bünde habe ich der Einfachheit halber mit ausgedruckt als Test. Aber ich denke der Abrieb und die fehlende bzw. schwierige Austauschbarkeit stehen diesem entgegen. Aber wie gesagt sind die bisherigen Prototypen erstmal auf Funktionalität und noch nicht auf Bespielbarkeit und Haptik ausgelegt.

            Viele Grüße,

            Marcus (übrigens bin ich auch nicht mehr so jung 50+ :) )
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            Re: E-Gitarre aus dem 3D-Drucker

            #8

            Beitrag von jhg » 21.06.2017, 21:06

            Ich denke dass man beim Thema "Kunststoff" bei Gitarren kaum an Faserverbundstoffen vorbeikommen. Das extrudierte Zeug ist einfach nicht dauerhaft stabil genug. Leider finde ich auch die Oberflächengüte bei den einfacheren, gedruckten Teilen eher bescheiden. Es erinnert mich an die Spritzgußteile aus der Frühzeit der Kunststoffverarbeitung. Ich denke für einige Kleinteile wird die Druckerei interessant werden - für eine ganze Gitarre (think)
            In Zukunft könnte man es evtl. mal mit Werkstoffen wie PA 12 GF auf einem Lasersinterdrucker probieren - das Zeug ist ziemlich hart ...
            Alle Achtung aber für die Geduld mit dem Drucker und der ganzen Zeichnerei ....

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            Re: E-Gitarre aus dem 3D-Drucker

            #9

            Beitrag von KNGuitars » 22.06.2017, 09:36

            ich denk auch für ganze gitarren ist ist das verfahren nicht unbedingt ideal, weil einfach nicht steif genug ... aber so ein paar kleinteile wären schon cool zu drucken (Pickuprahmen, potiknobs etc.) ;) :D
            lg klaus

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