Sorgenkind

Alles um einen alten Schatz aufzufrischen ... auch am Finish
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bea
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Re: Sorgenkind

#201

Beitrag von bea » 07.02.2017, 23:41

Inzwischen hat sich am Instrument schon deutlich etwas gesetzt. So stark, dass ich an der Brücke nacharbeiten muss; die Saitenlage ist hochgegangen. Noch kann ich nicht abschätzen, ob es sich nur um die normale Setzung hin zu einem neuen Gleichgewicht handelt, die ja auf jeden Fall zu erwarten ist, oder ob sich da erneut statische Probleme zeigen.

Wegen der Vorgeschichte bin ich natürlich ziemlich nervös.

Was man mit dem Auge erahnen und auch ertasten kann:

Zwischen Steg und Unterklotz hat sich eine "Recurve" eingesenkt, und zwar hinter dem Ende der Balken. Bei meiner guten Archtop ist das nicht zu sehen; allerdings hatte ich der Decke damals auch ein parabolisches Wölbungsprofil gegeben und auf die Recurve verzichtet.

Um die Brücke herum gibt es ebenfalls ganz leichte Senkungen, und zwar in den Bereichen, in denen die Stärke abnimmt. In den 3-4 cm außerhalb der Brücke ist die Decke ganz leicht wellig. Man kann dies im Gegenlicht erahnen und auch ertasten. Im Vergleich zu Liz habe ich wohl die Stärke der Balken wohl zu schnell reduziert. Dafür ist die Belastung dieser Decke abe auch erheblich geringer als bei einer typischen Archtop. Eine derartige Verformung kommt mir daher zwar insgesamt plausibel vor, aber natürlich fehlt mir die Erfahrung, einschätzen zu können, ob das noch im Bereich des Normalen ist und vor allem, ob es stabil bleibt.

Der Hals ist unter der Spannung erkennbar "runder" geworden. Das ist bei diesem Hals normal und nur insofern ein Problem, als durch die höhere Saitenlage die Kraft vergrößert wird, die den Hals weiter "herauswinden" möchte. Deshalb sollte ich das auch bald am Steg ausgleichen.

Leider hat sich aber auch der Abstand zwischen Halsverlängerung und Decke verringert. Und leider, ohne dass man irgendwo erkennen kann, wo diese Verformung stattfindet. Vielleicht sind ja die beiden Balken trotz ihrer Höhe noch zu schwach. Wenn das so ist, bleibt wohl nichts anderes übrig als noch einen dritten Balken einzubauen.

Vielleicht höre ich ja auch das Gras wachsen. Aber gerade bei dieser Gitarre bin ich ja ein gebranntes Kind. Und jetzt drückt mir bitte die Daumen, dass das nicht mehr als das Setzen unter Spannung, das ja ebenfalls zu erwarten ist.
LG

Beate

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Re: Sorgenkind

#202

Beitrag von Poldi » 08.02.2017, 05:25

Dann drück ich mal mit, die Daumen natürlich...

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Re: Sorgenkind

#203

Beitrag von Gerhard » 08.02.2017, 07:15

Drück +1

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Re: Sorgenkind

#204

Beitrag von hatta » 08.02.2017, 09:27

+1
Gruß
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Re: Sorgenkind

#205

Beitrag von headstock » 08.02.2017, 09:40

Moin,

ich bin auch dabei, wenn`s um`s Daumendrücken geht. Hoffentlich reicht das... (think)

Frage - liegt die Brücke im Bereich der Balken auf, oder hast Du sie dazwischen gesetzt?

Gruß Martin

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Re: Sorgenkind

#206

Beitrag von MiLe » 08.02.2017, 10:21

Zumindest war der Thread-Titel gut gewählt, bei der Geschichte bleibt Dir scheinbar aber auch gar nichts erspart :(
"Der Hals wurde runder": Kann es nicht sein, daß das der Hauptgrund für die Saitenlage/zu hohe Brücke ist und sich die anderen Effekte im Minimalbereich bewegen? Ich finde auf den Bildern keinen Trussrod-Zugang. Zwar eine Glocke auf der Kopfplatte, aber die scheint ja nur aus optischen Gründen vorhanden zu sein. Gibt's denn keine Möglichkeit, die Halskrümmung zu justieren , ausser mit dünneren Saiten?
Ich drücke jedenfalls mit.
Liebe Grüße,
Michael

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Re: Sorgenkind

#207

Beitrag von bea » 08.02.2017, 12:06

Die Gitarre besitzt keinen Trussrod. Der Hals ist relativ schlank, und das Palisandergriffbrett ist nicht allzu dick. Bespannt ist sie 5-saitig mit 10ern. Die Durchbiegung des Halses ist noch im Bereich des normalen.

Nach meiner Beobachtung und ja auch der langen Erfahrung mit dem Instrument weiß ich, dass sich da etwas gegenseitig "aufschaukeln" kann: wenn der Hals sich unter der Saitenlast krümmt, wächst die Komponente der Kraft, die senkrecht zum Hals steht, in etwa proportional mit der Erhöhung an. Also 50% mehr Saitenabstand => 50% mehr Kraft, und das Instrument verformt sich weiter, bis zu einem Gleichgewicht oder bis zum Bruch. Plastische Verformung tritt kurzfristig erst mal nicht ein, langfristig aber schon. Man muss also bestrebt sein, die Saitenlage niedrig zu halten.

Mir macht tatsächlich die Absenkung der Halsverlängerung am meisten Sorge, also die Verkleinerung des Abstands des Endes des Griffbretts von der Decke. Das zeigt nämlich eine Verformung innerhalb des Korpus an.
Auch jetzt ist das alles noch im Bereich dessen, worüber vor zwei Jahren noch glücklich gewesen bin. Aber die statischen Verhältnisse sind doch deutlich anders, und das kann ich nicht einschätzen. Und damals hat es nicht gereicht, trotz der Verminderung der Saitenlast.

Wie gesagt, das kann sich alles in Wohlgefallen auflösen - ein paar Tage benötigt ein Instrument ja schon, um sich zu "setzen".
LG

Beate

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Re: Sorgenkind

#208

Beitrag von bea » 09.02.2017, 00:52

MiLe hat geschrieben:
08.02.2017, 10:21
Zumindest war der Thread-Titel gut gewählt, bei der Geschichte bleibt Dir scheinbar aber auch gar nichts erspart :(
So allmählich glaube ich zu verstehen, wieso ich den Korpus ohne Hardware in der Manufaktur habe stehen sehen... die meisten anderen billigen Manufakturgitarren dürften zumindest etwas besser gefertigt sein. Ich habe hier ja gleichermaßen mit Herstellungsfehlern, der Misshandlung durch den Vorbesitzer und in der Folge eigenen Fehlern zu kämpfen. Naja, wenn es wirklich klappt, werde ich eine hübsche und sehr unkonventionelle Archtop besitzen und vor allem viel gelernt haben.

Es gibt ein weiteres Thema, das mir in dieser Form noch gar nicht so bewusst war. Schon immer gab es oberhalb des 12. Bundes Probleme mit klirrenden Saiten. Weil die anderen Problem überwogen und die Saitenlage ohnehin nicht besonders gut war, hatte ich das gar nicht mehr so recht auf dem Schirm.

Wenn ich die Saitenlage unterhalb es 12. Bundes vernünftig einstelle, ist vor allem die D-Saite betroffen.
Zur Zeit sehe ich gleich 3 Dinge, die da Hand in Hand spielen:
  • oberhalb des Halsfußes scheint das Griffbrett ganz leicht nach oben zu gehen. Sollte es da (unbelastet) nicht ganz leicht nach unten zeigen, um den Effekt der nicht mehr vorhandenen Halskrümmung auszugleichen?
    Es kann sein, dass sich die Halsverlängerung durch meine Abstützmaßnahmen leicht nach oben gebogen hat.
  • Der Wölbungsradius der Stegeinlage ist etwas zu groß.
  • Der Wölbungsradius des Griffbretts ändert sich; oberhalb des ca, 14. Bundes scheint die Wölbung "spitzer" zu werden. Sehen kann man das nicht, aber ertasten. Durch Abrichten der Bünde lässt sich das nicht ausgleichen. Das scheint ganz deutlich eine der zahlreichen Ungenauigkeiten bei der Herstellung zu sein. Der Effekt ist, dass die C- und die E-Saite ordentlich spielen, aber G und vor allem das D in der Mitte wie blöd schnarren.
Es sieht so aus, als ob ich demnächst auch da nochmal ran muss. Am besten wohl, wenn ich die Randeinlagen einbaue - also wenn klar ist, dass der Korpus stabil ist.
Und das bedeutet dann, dass die Bünde ab dem 12. Bund heraus müssen, damit das Griffbrett besser abgerichtet werden kann.

Über das Griffbrettprofil entlang der Saiten jenseits des Halsansatzes habe ich in der Literatur leider nichts gefunden.
LG

Beate

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Re: Sorgenkind

#209

Beitrag von hatta » 09.02.2017, 02:04

Wenn du dann schon ans griffbrett musst und einige bünde ziehen musst, wäre es dann nicht sogar eine überlegung wert, das griffbrett abzulösen und einen trusrod einzubauen?

Ich meine, dann wäre der hals auch besser beherschbar.

Gruß und ganz fest daumen drück :)
Gruß
Harald

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Re: Sorgenkind

#210

Beitrag von MiLe » 09.02.2017, 11:03

Alternativ Carbon-Rechteckstab von hinten einsetzen?
Trussrod unter'm Griffbrett wäre natürlich noch besser und flexibler da einstellbar.
Gerade in dem von Dir gesehenen Zusammenhang "Halsbiegung erhöht Belastung auf Decke" könnte das ein wichtiger Schritt sein. Wenn auch nochmal mehr Aufwand und später nicht mehr original. Aber besser das als immer zitern zu müssen, was als nächstes passiert (think)
Liebe Grüße,
Michael

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Re: Sorgenkind

#211

Beitrag von bea » 09.02.2017, 14:26

Ach, seht das doch mal entspannter. Für mich ist das inzwischen eine Art Sport. Der mich zugegebenrmaßen daran hindert, ein paar andere Dinge anzugehen.

Wenn die Saitenlage stimmt, ist die Halsbiegung doch in Ordnung. Und das jetzt schon seit 30 Jahren. Wenn ich darauf achte, dass der Rest passt, wird das wohl auch weiter halten. Und passen sollte es allein schon wegen der Bespielbarkeit.

Die Versteifung wird vor allem auch das konkrete Problem wenig beeinflussen; denn im Bereich der Halsverlängerung wirkt kein Trussrod. Es wird also weiter scheppern. Ein Griffbrett mit Zelluloidbinding und (hitzeempfindlichen) große Zelluloideinlagen macht man auch freiwillig nur dann ab, wenn es wirklich unbedingt sein muss.

Von hinten werde ich bei einem Sunburst-lackierten Hals ganz bestimmt nichts einsetzen. Dann baue ich eher ein komplett neues Griffbrett.

Ergänzung: machen tue ich fürs erste mal gar nichts. Das Ausmaß des Schepperns der D-Saite in den hohen Lagen ist ja ein recht guter Indikator, der anzeigt, wenn sich mit der Saitenlage etwas ändert; ich tue mir also eine Gefallen, mich ausnahmsweise mal in Geduld zu fassen. Das Teil überhaupt erst mal spielen zu lernen (Quintenstimmung!) geht auch so ganz gut.
LG

Beate

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Re: Sorgenkind

#212

Beitrag von DoppelM » 12.02.2017, 15:04

Boah, die lässt aber auch nichts aus - hoffe dass deine anderen Schätzchen und Projekte dafür umso braver sind. So viel wie du an der lernst, kannst du ja bald jedes Problem an anderen Gitarren vorher riechen und beheben :D
Respekt auch vor der Hartnäckigkeit, meine Kaufhausarchtop lag ja über ein Jahr in Teilen rum aus Frust. (Aber: es lohnt sich den zu Überwinden)
All you need for a good song is three chords and the truth.

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